Vom M&A-Praktikum bei Jefferies und vier Jahren Consulting bei Kearney zur Gründung von Novu Office und jetzt auch Novu Campus. Was hat dich dazu inspiriert, deinen Karriereweg zu verlassen, um ein Start-up zu gründen?
Der Grundgedanke war, dass wir einfach unglaublich viel gearbeitet haben.
Ich habe Novu Office nicht allein gegründet, sondern mit Sam zusammen. Sam hatte bereits während seiner Zeit bei Kearney eigene Projekte gestartet. Irgendwann stellten wir uns beide die Frage: Wenn wir ohnehin so viele Stunden investieren warum dann nicht für uns selbst arbeiten? Viel mehr Gedanken sind da anfangs gar nicht reingeflossen. Es war eher ein Let’s just do it-Moment.
Wir hatten unsere Bachelor- und Masterabschlüsse, wertvolle Berufserfahrung gesammelt und noch keine grossen finanziellen Verpflichtungen wie eine eigene Immobilie oder eine Familie. Das Risiko war also vergleichsweise gering. Also dachten wir: Wenn nicht jetzt, wann dann? Und so haben wir es einfach ausprobiert.
Könntest du in eigenen Worten erklären, worum es bei Novu Office und nun bei Novu Campus geht? Was ist die Vision dahinter?
Bei Novu Office muss man sagen: Die Vision ist über die Zeit gewachsen. Unsere ursprüngliche Produktidee hat nicht funktioniert, aber sie hat uns in die Möbelbranche gebracht. Dadurch haben wir erkannt, dass diese Branche viel Potenzial für Innovation bietet.
Heute liegt unser Fokus auf der nachhaltigen Planung und Umsetzung von Büroflächen. Zwei Dinge unterscheiden uns von anderen Anbietern: Erstens setzen wir neben Neumöbeln von Partnerfirmen wie Vitra systematisch auf Gebrauchtmöbel, die in der Schweiz im grossen Stil ungenutzt in Lagern von Grosskonzernen liegen. Zweitens bieten wir alternative Ownership-Modelle an, indem wir Möbel nicht verkaufen, sondern vermieten. Das bedeutet, dass die Möbel im Besitz von Novu Office bleiben und von Unternehmen flexibel genutzt werden können.
In Kombination mit einem modernen Beratungs- und Designansatz begleiten wir Unternehmen auf dem Weg zu zukunftsorientierten und nachhaltig gestalteten Arbeitswelten.
Wie unterscheidet sich das von deiner ursprünglichen Idee?
Unser Business-Modell – Möbel erwerben, mit einem Service-Paket versehen und vermieten – war von Anfang an gleich. Allerdings war unser erster Ansatz während der Covid-Zeit darauf ausgerichtet, Mitarbeitende im Homeoffice auszustatten.
Dafür hatten wir einen Konfigurator entwickelt, mit dem Angestellte ihre Homeoffice-Arbeitsplätze individuell gestalten konnten, mit ergonomischen Schreibtischen, Designstühlen und IT-Equipment. Die Unternehmen zahlten dann eine monatliche Gebühr, und wir kümmerten uns um Lieferung, Installation und sonstige Support-Services.
Die Idee klang gut, aber sie scheiterte. In der Schweiz gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, Homeoffice-Arbeitsplätze ergonomisch auszustatten. Stattdessen hatten Unternehmen ganz andere Prioritäten: Sie fragten sich, wie sie ihre Mitarbeitenden nach der Pandemie wieder ins Büro zurückbekommen. Das brachte uns zu unserer heutigen Lösung: Wie muss ein Büro gestaltet sein, damit Mitarbeitende freiwillig und gerne zurückkommen, und was ist die Rolle vom Office in zukünftigen Arbeitsmodellen?
Und wie passt Novu Campus in dieses Konzept?
Novu Campus ist im Grunde die logische Erweiterung unserer bisherigen Arbeit.
Wir bauen im Circle am Flughafen Zürich einen 4.000 Quadratmeter grossen Innovationscampus, auf dem voll ausgestattete Büroflächen an überwiegend junge, innovative Unternehmen vermietet werden. Der Campus bietet neben Büroflächen auch Event-, Meeting- und Konferenzräume sowie eine Coffee Bar mit Barista, ein kleines Gym, Schlafmöglichkeiten, eine Community-Zone und vieles mehr.
Unser Ziel ist es, in der Schweiz einen Ort für Unternehmertum zu schaffen, an dem Scale-ups wachsen können. Wir richten uns nicht an junge Start-ups mit zwei Gründern und einer Idee, sondern an Unternehmen mit fünf, zehn oder mehr Mitarbeitenden, die bereits Umsätze generieren und die nächste Wachstumsphase erreichen wollen. Sie suchen ein repräsentatives Office mit guter Kultur sowie Zugang zu einem spannenden Ökosystem mit anderen spannenden Gründern, können sich eine derart ausgeprägte Infrastruktur jedoch eigenständig nicht leisten.
Warum gerade am Flughafen Zürich?
Das war eine Mischung aus Opportunität und Standortstrategie.
Der Circle am Flughafen Zürich bietet mit 180.000 Quadratmetern Bürofläche einen der grössten Business-Hubs der Schweiz. Zahlreiche grosse Unternehmen wie Microsoft, Oracle und SAP haben hier ihre Schweizer Niederlassungen. Der Flughafen verfolgt eine neue Strategie und möchte verstärkt junge, innovative Firmen anziehen, um sich nachhaltig als führenden Business-Hub in der Schweiz zu etablieren.
Ein entscheidender Faktor war, dass diese Flächen seit der Eröffnung 2019 weitgehend leer standen. Um das zu ändern, hat der Flughafen ein Modell entwickelt, das den Einstieg für wachsende Unternehmen erleichtert. Denn ein Mietvertrag über 4.000 Quadratmeter ist nicht einfach zu stemmen, insbesondere für junge Unternehmen. Oft werden zusätzlich Mietkautionen von drei bis sechs Monaten verlangt, was schnell zu siebenstelligen Beträgen führt. Das ist eine Hürde, die viele Start-ups und Scale-ups nicht bewältigen können.
Die zentrale Lage des Circles ist ein weiterer grosser Vorteil. Der Flughafen ist nicht nur für internationale Gäste ideal, die direkt vor Ort Meetings abhalten können, sondern auch für Unternehmen aus der gesamten Schweiz attraktiv. Besonders für Scale-ups, die sich in den Markt integrieren oder expandieren möchten, bietet der Standort eine einmalige Kombination aus internationaler Vernetzung und lokaler Zugänglichkeit. Mit der Nähe zu Zürich, aber auch einer schnellen Anbindung an die Ostschweiz und darüber hinaus, ist der Circle optimal erreichbar, egal ob mit dem Auto, dem Zug oder direkt mit dem Flugzeug.
War Novu Office auch schon im Circle angesiedelt, oder wie kam es zum initialen Kontakt?
Der Kontakt kam über Novu Office zustande. Wir hatten bereits Partnerschaften mit Real-Estate-Firmen, um Büroflächen auszustatten. So kamen wir mit dem Flughafen Zürich ins Gespräch, der uns die leerstehende Fläche zeigte. Daraus entstand die Idee für Novu Campus.
Für uns als Novu Office ist der Campus natürlich auch ein spannender Showcase. Wir werden unser Team dort ansiedeln und die Fläche als Demonstrationsobjekt für unsere Kunden nutzen, um zu zeigen, was unsere Vision von einem Arbeitsort der Zukunft ist. Dabei geht es darum, moderne Arbeitsumgebungen zu schaffen, die Kollaboration und Interaktion fördern sowie einen zentralen Baustein der Unternehmenskultur darstellen.
Deine berufliche Laufbahn begann in der Beratung und im Investmentbanking. Warum bist du ausgerechnet in der Möbelbranche gelandet?
Reiner Zufall.
Ein Freund von mir, der bei Microsoft arbeitet, erzählte mir im Gym, dass Microsoft durch Homeoffice regelrecht „explodiert“ sei. Da dachte ich: Homeoffice ist ein Thema!
Wir hatten keine Erfahrung in der Möbelbranche, aber als wir uns intensiver damit beschäftigten, merkten wir, wie viel Potenzial für Innovation es dort gibt. Und das war für mich eine der spannendsten Erkenntnisse: Wenn man etwas gründet, geht es nicht nur um ein einzelnes Produkt, sondern vielmehr um die Entscheidung für eine gesamte Branche, da man als «Branchenfremder» möglichst schnell möglichst tief in die Industrie eintauchen und sich vernetzen muss
Ausser man kommt aus der Branche, kann man von aussen kaum verstehen, wo die wirklichen Herausforderungen liegen. Man kann nicht einfach sagen: Ah, das ist genau das Produkt, das alle brauchen! Erst wenn du mit 50 Unternehmen – in unserem Fall ca. 450 im ersten Jahr – gesprochen hast und sie dir bestätigen, dass sie dieses Produkt wirklich benötigen und nicht nur die HR-Abteilung sagt, dass es „mega geil“ klingt, dann weisst du, dass du auf dem richtigen Weg bist.
Gibt es andere Branchen, die dich interessieren würden?
Definitiv! Themen wie Health & Nutrition oder Sport & Fitness finde ich extrem spannend. Aber ich denke, dass diese Märkte aktuell sehr überlaufen sind.
Tech ist natürlich auch ein riesiges Thema, aber dort musst du schon wirklich herausragend sein, um dich abzuheben. In der Möbelbranche hingegen gibt es viele etablierte, aber wenige wirklich innovative Akteure. Das bedeutet, dass der Markt aktuell viel Raum für neue Ideen lässt.
Du hast gesagt, dass dein Geschäftsmodell über die Jahre immer wieder angepasst wurde. Gab es einen Moment, in dem du unsicher warst, weil die ursprüngliche Idee nicht funktioniert hat? Und würdest du sagen, dass dir deine Erfahrungen im Consulting geholfen haben, ein funktionierendes Unternehmen aufzubauen?
Ja, absolut. Ich bin grundsätzlich ein naiver Optimist, was in der Start-up-Welt extrem hilfreich ist. Vor allem, wenn man einen Co-Founder hat, der etwas skeptischer ist. Das ist bei Sam und mir genau der Fall, wir haben eine gute Balance. Ich kann auch jedem empfehlen, sich dessen bewusst zu sein: Ein Gründerteam sollte sich gut ergänzen.
Ich habe mir anfangs nicht allzu grosse Gedanken gemacht, weil es einfach nicht meine Art ist, mich lange mit Zweifeln aufzuhalten. Aber natürlich ist es schwierig, den richtigen Moment zu finden, um ein Produkt zu pivotieren. Wann trifft man die Entscheidung, dass etwas nicht funktioniert? Wann probiert man es noch weiter?
Wie habt ihr diesen Moment für euren Pivot gefunden?
Wir hatten tatsächlich Glück. Unser jetziges Produkt entstand durch Kundenanfragen, bevor wir überhaupt Unterlagen oder eine Strategie dafür hatten. Während wir noch voll auf Homeoffice-Möbel fokussiert waren, kamen Unternehmen wie Credit Suisse auf uns zu und fragten: „Können wir Büromöbel mieten, nicht für das Homeoffice, sondern für unser Büro?“
Unsere erste Reaktion war einfach: „Ja, machen wir!“
Ende 2022 haben wir dann die Zahlen angeschaut und wenig überrascht festgestellt, dass unser Umsatz mit Bürovermietungen fünfmal so hoch war wie mit Homeoffice-Lösungen. In dem Moment war die Entscheidung dann recht einfach.
Es war ein sehr offensichtlicher Pivot. Ich glaube, wenn du in einer vergleichbaren Situation bist, solltest du einfach genau hinsehen: Welche deiner Geschäftsbereiche wachsen am stärksten? Bei uns war es eindeutig.
Und wie hat dich deine Zeit in der Beratung darauf vorbereitet?
Die Beratung hat mir weniger bei dieser spezifischen Entscheidung geholfen, sondern mir ein Toolkit gegeben, um Herausforderungen zu lösen. Das ist unglaublich wertvoll, wenn man ein Unternehmen aufbaut.
Ich kann wirklich jedem empfehlen, einmal in einer Beratung zu arbeiten. Dort wird man konstant mit unternehmerischen Herausforderungen konfrontiert und lernt, strukturierte Lösungen zu entwickeln.
Als ich Student war, fragte ich mich: „Was genau macht ein Berater eigentlich?“ Die Antwort ist: Probleme lösen. Unternehmen haben Herausforderungen und holen sich externe Unterstützung, um neue Perspektiven und Lösungen zu bekommen. Genau diese Fähigkeit braucht man auch im eigenen Unternehmen.
Gab es noch weitere wertvolle Learnings aus deiner Zeit als Berater?
Ja, insbesondere der Umgang mit Führungskräften. In der Beratung hat man oft sehr früh Kontakt zu Senior Executives. Ich war beispielsweise mit 25 in Meetings mit Mitgliedern der Lufthansa-Geschäftsleitung. Ich glaube es gibt wenig andere Berufseinstiege, wo man so schnell Kommunikation mit Senior Executives lernt.
Das hat mir später geholfen, wenn wir bei Novu Office und Novu Campus mit CEOs und anderen Führungskräften im Austausch waren – insb. in Präsentations- und Verhandlungs-Set-ups.
Hättest du dir vorstellen können, einfach in der Beratung zu bleiben?
Gute Frage. Es war nicht so, dass ich dringend aus der Beratung raus wollte. Ich mochte meinen Job bei Kearney. Ich hatte tolle Kollegen, mit denen ich bis heute befreundet bin.
Ich habe vor zwei Jahren geheiratet, und vier meiner ehemaligen Kollegen waren bei der Hochzeit dabei, das sagt einiges aus. Es war also nicht so, dass ich fliehen wollte.
Aber langfristig hätte ich es wohl nicht durchgehalten. Vor allem der Lifestyle – vier Tage die Woche reisen, kaum in der Schweiz sein – wäre irgendwann schwierig geworden. Besonders jetzt, wo ich eine Familie – einen 2-jährigen Sohn – habe, wäre das für mich nicht mehr vereinbar.
Gibt es noch andere Gründe, warum du den Wechsel vollzogen hast?
Ja, das fehlende „Ownership-Gefühl“ in der Beratung. Als Berater arbeitest du projektbasiert, entwickelst Strategien und gibst eine Lösung ab, aber du bist selten selbst an der Umsetzung beteiligt. Das bedeutet, du siehst oft nicht direkt, ob und wie deine Arbeit tatsächlich umgesetzt wird.
Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass mir genau das fehlt. In einem eigenen Unternehmen ist das anders. Du baust etwas auf, bist involviert und kannst die Wirkung deiner Arbeit direkt verfolgen. Dieses Gefühl, langfristig an etwas zu arbeiten, hat mir in der Beratung gefehlt.
Dazu kommt das Thema Personalführung, das mir extrem viel Spass macht. In der Beratung gibt es zwar Teams, aber du wechselst ständig von einem Projekt zum nächsten. Du arbeitest mit ohnehin übermotivierten, hochqualifizierten Leuten zusammen, die häufig nach wenigen Monaten oder Jahren wieder weg sind. Bei Novu ist unsere Ambition eine Andere. Wir wollen Mitarbeitende langfristig binden, entwickeln und mit ihnen gemeinsam wachsen.
Wie würdest du deinen eigenen Führungsstil beschreiben?
Die Frage habe ich mir noch nie gestellt und mich auch noch nie aktiv für einen «Stil» entschieden. Aber von meinem Naturell her bin ich definitiv kein strenger Chef. Das liegt einfach nicht in meiner Art. Wahrscheinlich wäre es sogar spannender, mit meinen Mitarbeitenden zu sprechen, um zu erfahren, wie sie meinen Führungsstil wahrnehmen.
Grundsätzlich lasse ich meinen Mitarbeitenden viel Freiraum und versuche, jeglichen Stress von ihnen fernzuhalten. Mir ist wichtig, dass es ihnen gut geht und sie Verantwortung übernehmen können. Gleichzeitig versuche ich immer da zu sein, wenn es eng wird, Unsicherheiten entstehen oder jemand Unterstützung braucht. Mein Ansatz ist es, viel Vertrauen entgegenzubringen, Aufgaben abzugeben und trotzdem stets da zu sein.
Ein zentraler Punkt für mich ist die Motivation durch Verantwortung und persönliche Beziehungen. Ich lege grossen Wert darauf, nicht nur über Arbeit zu sprechen, sondern meine Mitarbeitenden auch auf persönlicher Ebene zu kennen. Deshalb mache ich mit jeder neuen Person in meinem Team ein 1:1 Welcome Dinner, um sie besser kennenzulernen – nicht nur beruflich, sondern auch privat. Ich weiss, was in ihrem Leben passiert, und bin jederzeit offen für Gespräche.
Ich bin überzeugt, dass persönliche Beziehungen zu einer stärkeren Motivation führen. Wenn Menschen sich geschätzt fühlen, sind sie nicht nur motivierter, sondern setzen sich auch stärker für das Team und die gemeinsamen Ziele ein. Manche Führungskräfte halten bewusst eine gewisse Distanz, ich hingegen sehe das komplette Gegenteil als meine Stärke.
Worauf sollte man beim Führungsstil in einem Start-up besonders achten?
Kommunikation ist alles. Ich habe das anfangs unterschätzt.
Ein kleines Beispiel: Du entscheidest, eine Person zu einem wichtigen Event mitzunehmen, die andere nicht. Wenn du das nicht richtig kommunizierst, führt das zu Frust. Ich hätte nie gedacht, dass solche Dinge so viel Gewicht haben, aber es macht einen grossen Unterschied.
Auch das Thema Feedback ist entscheidend. Viele Gründer wollen es mit allen gut haben und vermeiden unangenehme Gespräche. Aber als Führungskraft musst du auch schwierige Dinge direkt ansprechen. Wenn etwas nicht gut läuft, muss das klar kommuniziert werden, ohne Drama, aber auch ohne Ausreden.
Haben bestimmte Führungsstile deiner früheren Vorgesetzten dazu geführt, dass du deinen eigenen bewusst anders gestaltet hast?
Absolut, 100%. Ich habe sowohl im Investmentbanking als auch in der Beratung Führungskräfte erlebt, deren Stil ich nicht übernehmen wollte.
Vieles hat mit emotionaler Sicherheit zu tun. Ich glaube nicht, dass Druck und Stress gute Leistung fördern, zumindest nicht langfristig. Natürlich gibt es Menschen, die unter Stress funktionieren, aber für die meisten ist ein positives, unterstützendes Umfeld produktiver.
Ein Beispiel: Wir hatten einmal einen Mitarbeitenden, der gesagt hat: „Ich brauche Stress und Druck, sonst funktioniere ich nicht.“ Aber das passte nicht zu unserer Unternehmenskultur. Letztendlich hat es nicht funktioniert.
Jede Firma hat eine eigene Kultur, und als Gründer prägt man diese bewusst oder unbewusst. Mir ist es wichtig, dass wir ein Umfeld schaffen, in dem Menschen gerne arbeiten, sich wertgeschätzt fühlen und sich weiterentwickeln können.
Würdest du sagen, dass du mittlerweile umfassendes Wissen in den Bereichen Unternehmensgründung und -führung gesammelt hast? Welche Erkenntnisse aus deiner Erfahrung mit Novu Office kannst du für Novu Campus nutzen – und was davon hättest du dir rückblickend schon früher gewünscht?
Ganz klar: Personalführung und Kommunikation. Das war für uns eine riesige Lernkurve.
Ausserdem hätten wir von Anfang an viel schneller an den Markt gehen sollen. Statt ein Produkt bis ins kleinste Detail zu perfektionieren, hätten wir es frühzeitig testen und direkt mit dem Vertrieb starten müssen. Sales ist entscheidend. Am Ende des Tages muss man jemanden überzeugen, einem Geld zu geben. Das klingt banal, aber genau das ist der Kern eines jeden Unternehmens.
Wir haben zu Beginn viel Zeit mit Produktentwicklung verbracht und dachten, ein gutes Produkt verkauft sich von selbst. Das tut es nicht. Kein Produkt verkauft sich ohne aktiven Vertrieb. Das war eine der wichtigsten Lektionen.
Gibt es noch andere Learnings aus deiner bisherigen Gründungserfahrung?
Ja, insbesondere das rechtliche Setup eines Unternehmens. Beim ersten Mal ist alles noch neu, man muss sich mit Gesellschaftsformen, Verträgen und Gesellschaftervereinbarungen auseinandersetzen. Jetzt, mit der dritten Firma, wissen wir genau, welche Dokumente wir brauchen und welche Themen von Anfang an geklärt werden müssen. Das spart unglaublich viel Zeit und Nerven.
Viele unserer Leser sind Studierende mit Interesse an der Start-up-Welt. Was sollten sie für eine erfolgreiche Gründung mitbringen? Und worauf sollten sie bei der Wahl eines Co-Founders achten?
Ich würde mit der zweiten Frage beginnen: Ein gutes Gründerteam sollte sich ergänzen. Sam und ich haben einen sehr ähnlichen Hintergrund, aber unsere Stärken und Schwächen sind unterschiedlich. Sam ist extrem präzise, stellt kritische Fragen und denkt Entscheidungen mehrfach durch. Ich hingegen bin der hoffnungslose Optimist, versuche immer das grosse Ganze zu sehen und bin sehr entscheidungsfreudig. Diese Kombination funktioniert für uns sehr gut.
Wenn du jemanden hast, der dein perfektes Gegenstück ist, kann das unglaublich wertvoll sein. Aber ich verstehe, dass es schwierig ist, sich selbst richtig einzuschätzen, wenn man frisch aus dem Studium kommt. Da hilft es, Tests wie das DISC-Modell zu machen oder externe Meinungen einzuholen. Wenn alle im Gründerteam risikofreudig sind, kann das gefährlich werden. Genauso ist es problematisch, wenn alle extrem vorsichtig sind.
Und welche Eigenschaften sind grundsätzlich wichtig für eine Gründung?
Ganz klar: Risikobereitschaft. Unser dritter Gründer hat uns verlassen, weil es ihm glaube ich u.a. schwerfiel, mit zu grosser Unsicherheit umzugehen. Dabei sind Risiken in einer frühen Phase unvermeidbar.
Ein Beispiel: Unser erster grosser Kunde wollte Möbel im Wert von 200.000 Franken, aber wir hatten nur 70.000 Franken auf dem Konto. Unser Ansatz : Lass uns erst den Deal gewinnen, dann finden wir eine Lösung. Wenn man nicht bereit ist, solche Risiken einzugehen, ist eine Gründerkarriere glaube ich eher nicht das Richtige.
Ausserdem brauchst du Eigeninitiative. Es gibt niemanden, der dir sagt, was du tun sollst. Wenn du es nicht machst, macht es keiner.
Würdest du davon abraten, allein zu gründen?
Für mich persönlich ja.
Ich bin jemand, der Energie aus dem Austausch mit anderen zieht. Die Reise eines Gründers ist nie geradlinig. Es gibt Momente, in denen du dich fragst: Was machen wir hier eigentlich? Du zahlst dir seit Monaten kein Gehalt aus, hast schon 40.000 Franken verbrannt, und sichtbare Erfolge gibt es noch nicht.
In solchen Phasen ist es enorm wertvoll, einen Partner zu haben. Wenn du einen schlechten Tag hast, hat dein Co-Founder vielleicht einen guten und kann dich motivieren. Ich habe grossen Respekt vor Solo-Gründern, die das komplett alleine durchziehen.
Was ist dir wichtiger: Eine Zweitmeinung bei Entscheidungen oder der emotionale Support durch einen Partner?
Beides ist extrem wichtig. Ich glaube aber, dass für mich persönlich der Austausch und das Miteinander noch wertvoller sind.
Es geht nicht nur darum, eine zweite Meinung einzuholen, sondern auch darum, nicht mit all den Gedanken und Sorgen allein zu sein. Die Möglichkeit, Herausforderungen gemeinsam zu besprechen, macht alles einfacher.
Du hast an der Universität St. Gallen und in St. Andrews studiert. Hat dich das Studium in irgendeiner Weise auf die Gründung vorbereitet?
Ehrlich gesagt nicht wirklich. Ich habe mich im Studium mehr auf WG-Partys und Sport konzentriert als auf Studieninhalte oder Studentenvereine. Das mit den Vereinen ist übrigens etwas, das ich heute ein bisschen bereue.
Ich rate jedem Studierenden, sich aktiv in Organisationen wie Start Global oder dem Symposium einzubringen. Dort lernt man wertvolle Dinge, die über das Studium hinausgehen und baut ein wertvolles Netzwerk auf, was meiner Meinung nach wichtiger ist, als jeder Studieninhalt.
Gab es dennoch etwas, das dich in St. Gallen geprägt hat?
Definitiv das Umfeld. Die Leute, die man dort trifft, prägen den eigenen Weg enorm.
Hätte ich z.B. Mathematik in Bonn studiert – was bei Option Nr. 2 war –, wäre ich heute nicht hier. An der HSG bewegen sich viele Absolventen in denselben Branchen: Consulting, Investment Banking, Start-ups oder Venture Capital. Das prägt die Denkweise und zeigt Möglichkeiten auf, die ausserhalb dieser Bubble vielleicht gar nicht in Betracht gezogen würden.
Wie hat sich diese Bubble im Vergleich zu St. Andrews unterschieden?
St. Andrews ist viel diverser.
Dort gibt es Studierende aus allen möglichen Fachrichtungen: Medizin, Chemie, Kunst – und das spiegelt sich in den Gesprächen wider. Ich habe dort Rugby gespielt und hatte Freunde aus ganz unterschiedlichen Disziplinen. Das war extrem bereichernd, weil man regelmässig mit Menschen aus völlig anderen Bereichen spricht.
In St. Gallen ist das anders. Fast alle bewegen sich auf einem ähnlichen Karrierepfad, meist in Richtung Banking, Consulting oder Start-ups. Es war fast schwierig, jemanden zu finden, der nicht in diesem Umfeld tätig ist. Dadurch sind die Gesprächsthemen oft stark auf Wirtschaft fokussiert.
Hast du eine Präferenz für eines der beiden Umfelder?
Ich finde beides wertvoll.
Es ist einfach komplett unterschiedlich. Wenn ich nach Hause komme und meine alten Freunde vom Kindergarten treffe, geniesse ich das total. Da sind ein Jurist, ein Mathematiker und jemand mit einer Werkstatt dabei, und genau das macht es so spannend. Man kommt aus seiner Bubble heraus und bekommt ganz andere Perspektiven mit.
Die Gesprächsthemen sind völlig unterschiedlich. In diesem Umfeld redet niemand über SpaceX, Krypto oder die neuesten Start-ups. ChatGPT ist für manche ein Fremdwort. Es geht um völlig andere Dinge, und das schätze ich sehr.
Im Kindergarten gibt es noch keine Selektion, in der Grundschule ein wenig mehr, aber es bleibt durchmischt. Mit dem Gymnasium oder der Kanti verändert sich das bereits, weil sich Bildungswege trennen. Im Studium wird es noch selektiver, weil nur diejenigen dort sind, die eine Matura haben. An einer Universität wie St. Gallen hat man dann oft ein sehr homogenes Umfeld mit zielstrebigen, akademisch orientierten Leuten. Nach dem Studium wird es im Berufsleben noch einmal homogener, weil man sich fast ausschliesslich mit Menschen austauscht, die eine ähnliche Ausbildung und Karriere verfolgen.
St. Andrews empfand ich in dieser Hinsicht als eine erfrischende Abwechslung. Dort waren die Studierenden durch die Vielfalt der Fakultäten viel durchmischter. In meinem Rugby-Team hatte ich Mediziner, Chemiker und Physiker, mit denen sich spannende Gespräche ergaben.
Ich finde beides wertvoll und kann nicht sagen, was besser oder schlechter ist. Wenn ich mich in Zürich mit Freunden treffe, geht es oft um Business, Start-ups und Märkte. Wenn ich aber zu Hause bin und meine alten Freunde sehe, dann fragen sie mich: Verkaufst du noch Möbel? Ich sage: Ja, ich verkaufe noch Möbel, und dann reden wir über ganz andere Dinge. Genau diese Mischung macht es für mich wertvoll, weil ich so verschiedene Perspektiven behalte und nicht nur in einer einzigen Bubble bleibe.