Kein Zweifel: Im Vergleich zu früheren Zeiten geht es uns heute besser denn je. Noch im 19. Jahrhundert lebten die meisten Menschen in bitterer Armut, und immer wieder kam es zu schweren Hungersnöten. Überall lauerten Infektionen, die häufig tödlich verliefen, weil es kaum eine wirksame Behandlung gab. Die Kindersterblichkeit war hoch. Seitdem haben Wissenschaft und Technik auf der ganzen Welt zu einer beispiellosen Verbesserung der Lebensumstände geführt – auch wenn die Menschen, je nachdem in welchem Land sie leben, in sehr unterschiedlichem Maße davon profitieren. Die durchschnittliche Lebenserwartung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland noch unter 40 Jahren lag, beträgt heute weltweit rund 70, in vielen Ländern mehr als 80 Jahre.
Und doch sind viele drängende Probleme auch heute noch nicht gelöst. Nehmen wir zum Beispiel die medizinische Versorgung der Menschen: Trotz gewaltiger Fortschritte gibt es für einen erheblichen Teil der bekannten Krankheiten noch immer keine zufriedenstellende Therapie. Das gilt etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Alzheimer. Gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern haben Milliarden Menschen keinen oder kaum Zugang zu notwendigen Arzneimitteln, und fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist durch Tropenkrankheiten gefährdet. Gleichzeitig tauchen weltweit neue medizinische Probleme auf, wie zunehmende Antibiotika-Resistenzen bei bakteriellen Infektionen.
Ein weiteres Beispiel ist die Ernährung der Weltbevölkerung: Im Jahr 2050 wird sie von derzeit mehr als 7 Milliarden auf voraussichtlich rund 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Aber schon heute hungern schätzungsweise 800 Millionen. Gleichzeitig gehen verfügbare Ackerflächen weltweit zurück. Um die stetig steigende Weltbevölkerung im Jahr 2050 ernähren zu können, muss also auf der vorhandenen Fläche mehr produziert werden – Experten beziffern die bis dahin erforderliche Produktivitätssteigerung auf 60 Prozent.
Wenn wir diese Probleme lösen wollen, lohnt ein Blick in die Historie: Was hat uns denn aus dem Mittelalter in die Neuzeit befördert? Es waren der Erfindergeist und die Kreativität von Forschern und wagemutigen Unternehmern, die aus wissenschaftlichen Erkenntnissen nützliche technologische Innovationen gemacht haben. Und immer wieder war es die Überwindung der Skepsis, die allem Neuen entgegenschlägt, sowie der Ängste vor dem Unbekannten.
Die gute Nachricht: Es hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine ganze Reihe wissenschaftlicher Durchbrüche gegeben, die viel versprechende Möglichkeiten eröffnen – gerade in den Wissenschaften, die sich mit lebenden Organismen beschäftigen. Es dauerte Mitte der Neunzigerjahre noch fünf Jahre und kostete 70 Millionen US-Dollar, um das erste Pflanzen-Genom zu entschlüsseln. Heute kann man das menschliche Genom für weniger als 1000 Dollar sequenzieren – und die Kosten werden noch weiter zurückgehen. Das macht es zum Beispiel möglich, die Behandlung bestimmter Tumore individuell auf die Patienten abzustimmen.
Gleichzeitig wurden in den vergangenen Jahren ganz neue, bahnbrechende Technologien entwickelt, die es erlauben, die DNA wie mit einer „molekularen Schere“ zielgerichtet zu schneiden. Durch diese Technik der „Genom-Editierung“ könnte es möglich werden, schwere genetische Erkrankungen beim Menschen zu therapieren oder sogar zu heilen, indem der für die Erkrankung verantwortliche Teil der DNA korrigiert wird. Auch das Erbgut von Pflanzen kann auf diese Weise gezielt verändert werden, etwa um Pflanzen ertragreicher oder widerstandsfähiger zu machen.
Und schließlich bietet auch die Digitalisierung großartige neue Möglichkeiten, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Traktoren und Erntemaschinen sind heute oft schon mit Sensoren ausgestattet, die Informationen über den Zustand der Pflanzen und des Bodens sammeln. Auf der Grundlage solcher Daten ist es heute möglich, Präzisionslandwirtschaft zu betreiben: Die Auswahl des Saatguts, die Düngung und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln können so für jede Teilfläche präzise geplant werden. Dies führt nicht nur zu höheren Erträgen, sondern auch zu einem noch effizienteren und umweltschonenderen Ressourceneinsatz.
Das sind technologische Entwicklungen, die Hoffnung machen – und Bayer ist mittendrin und hervorragend positioniert, um sie weiter voranzutreiben. Die Basis sind starke eigene Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, in die Bayer im laufenden Jahr 4,2 Milliarden Euro investiert. Rund 14.000 hochqualifizierte Mitarbeiter sind dort weltweit tätig. Gleichzeitig nutzen wir Kooperationen und strategische Allianzen mit führenden Hochschulen, öffentlichen Forschungseinrichtungen, Partnerfirmen und Start-ups, um unsere Wissensbasis zu verbreitern und unser Innovationspotenzial weiter zu steigern. Hinzu kommen Crowdsourcing-Plattformen, über die Forscher weltweit ihre Expertise für eine Zusammenarbeit mit Bayer anbieten können.
Damit hat Bayer alle Voraussetzungen dafür, seine mehr als 150-jährige Tradition als innovatives Unternehmen fortzusetzen. Der Erwerb von Monsanto ist der nächste logische Schritt in dieser Entwicklung. Wir würden einen führenden, hochinnovativen Anbieter für die Landwirtschaft der nächsten Generation schaffen.
Aber Innovation ist beileibe kein Selbstläufer. Die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung sind mit großen Risiken verbunden. Zum Beispiel kostet die Entwicklung eines neuen Medikaments heute mehr als eine Milliarde Euro und dauert meist länger als zehn Jahre. Im Bereich des chemischen Pflanzenschutzes sieht es ähnlich aus: Hier liegen die Kosten für die Entwicklung eines neuen Produkts im Schnitt bei 215 Millionen Euro, und es vergehen in der Regel 10 bis 15 Jahre vom ersten Labortest bis zur Marktzulassung. Von mehr als 100.000 Substanzen, die auf ihre Wirksamkeit für den Pflanzenschutz geprüft werden, schafft es im Durchschnitt nur eine auf den Markt.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass wir auf unseren Märkten verlässliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen vorfinden. Dazu gehört vor allem ein wirksamer und weltweit gültiger Schutz des geistigen Eigentums. Wegen der ständig steigenden Gesundheitskosten kommt es in einigen Ländern immer wieder vor, dass dieser Schutz aufgeweicht wird, um die Zulassung billigerer Generika-Medikamente schneller zu ermöglichen. Aber eine solche Politik ist kurzsichtig. Sie schadet den Patienten, weil sie die Entwicklung neuer Medikamente erschwert. Und sie schadet letztlich auch dem ganzen Land, weil sie verhindert, dass sich forschende Industrie dort entfalten kann.
Denn nur wenn dem Erfinder für eine begrenzte Zeit Schutz vor Nachahmung gewährt wird, kann er die hohen Entwicklungskosten über den Preis wieder hereinholen und darüber hinaus einen angemessenen Gewinn erwirtschaften. So wird er wiederum in die Innovationen von morgen investieren. Nur dann ist es ein Geschäftsmodell. Gewinne sind also der Treibstoff, der das Innovationssystem einer wettbewerblich organisierten Marktwirtschaft am Laufen hält – ohne Gewinne käme der Fortschritt zum Erliegen.
Gleichzeitig schaffen Gewinne aber auch den finanziellen Spielraum für humanitäres Handeln. Bayer engagiert sich in vielfältiger Weise, zum Beispiel in einer Initiative zur Bekämpfung sogenannter vernachlässigter Tropenkrankheiten wie Chagas, der afrikanischen Schlafkrankheit, Dengue und der Flussblindheit. Wir stellen Medikamente zur Bekämpfung dieser Krankheiten zur Verfügung und beteiligen uns an Kooperationen zur Entwicklung neuer Medikamente. Partner in dieser globalen Initiative sind die Weltgesundheitsorganisation WHO, Regierungen, Nicht-Regierungsorganisationen und weitere Unternehmen.
Solche öffentlich-privaten Partnerschaften können dort einen wertvollen Beitrag leisten, wo die Märkte nicht ausreichend entwickelt sind. Für uns gibt es dabei keinen Widerspruch zwischen geschäftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Engagement. Beide bedingen einander, und es sind zwei Seiten des gleichen Ziels: Das Leben der Menschen zu verbessern.