Herr Hofmann, können Sie kurz Ihren Werdegang beschreiben?
Ich bin 53 Jahre alt und habe 1982 die Matura erlangt. 1988 habe ich die Polizeischule im Kanton Tessin absolviert. Zwischen 1989 und 1998 war ich in verschiedenen Bereichen der Sicherheitspolizei tätig. 1998 wechselte ich in die Kriminalpolizei, wo ich verschiedene Spezialisierungen– vom Dezernat Leib und Leben bis hin zur BetMG Bekämpfung ausgeübt habe. Seit dem 1. Juli 2005 arbeite ich vollamtlich als Generalsekretär für den Verband der Schweizerische Polizei-Beamter VSPB in Luzern.
In vielen Städten hat die Gewalt gegenüber der Polizei in den letzten 10 Jahren zugenommen. Kann man dieses Phänomen erklären?
Der VSPB verfolgt seit Jahren mit grossem Interesse und Besorgnis die Problematik der Gewalt gegen Behörden und Beamte, die in Artikel 285 des Strafgesetzbuches Geahndet wird. Wenn wir im Jahr 2000 noch 774 Anzeigen gegen diesen Artikel zu verzeichnen hatten, waren es im Jahr 2015 über 2800. Dieses Phänomen zu erklären ist gar nicht einfach und bräuchte sehr wahrscheinlich einen grösseren Beitrag für sich selbst. Was aber festgestellt werden kann, ist ganz klar ein genereller Verlust des Respektes gegenüber alles was Autorität ist oder Autorität darstellt. Somit sind offensichtlich Polizistinnen und Polizisten generell ein Feindbild in bestimmten Situationen. Alkohol, die 24-Stunden-Gesellschaft oder die Angst vor einer unsicheren Zukunft können dann rasch Auslöser einer Auseinandersetzung sein.
Die Petition „Stopp der Gewalt gegen die Polizei” ist beim ersten Anlauf gescheitert. Was erhoffen Sie sich von der neuen Arbeitsgruppe „Gewalt gegen die Polizei“?
Leider konnten wir mit unserer Petition vom 2009 nicht das erreichen was wir uns als Schlussresultat vorgestellt hatten. Auch wenn es eventuell als eher unwichtig angeschaut werden könnte, haben wir aber erreicht, dass Politik, Medien und auch die Bevölkerung sich mit diesem sehr schlimmen Phänomen auseinandersetzen mussten und weiterhin müssen. So konnten wir auch dieses Anliegen in der parlamentarischen Gruppe für Polizei und Sicherheitsfragen einfliessen lassen. Durch die Arbeit der Arbeitsgruppe des VSPB-Zentralvorstands wurden dann die nötigen Argumente, Fakten und Ideen zusammengestellt und vorbereitet. Diese Vorarbeit hat mitgeholfen, dass die zwei parlamentarischen Initiativen letztlich im Parlament eingereicht wurden. Hier sehen wir im Moment die besten Chancen für unser Anliegen und erhoffen uns viel durch die beiden politischen Vorstösse.
Höhere Strafen können abschrecken, scheinen alleine aber nicht genug zu erreichen, werden weitere Massnahmen eingesetzt um Polizisten zu beschützen?
Es ist offensichtlich, dass bloss höhere Strafen das Problem der Gewalt nicht lösen können und auch, dass andere Massnahmen in Einklang zusammen eingesetzt werden müssen. Das Problem ist sehr gross und muss als soziales Phänomen betrachtet werden. Darum müssen unbedingt die nötigen Mittel und Instrumente eingesetzt werden, damit nicht nur der Respekt zurückgewonnen werden kann, sondern auch der Staat wieder Herr der Lage wird. Hierfür hat das EJPD eine durch fedpol dirigierte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die mögliche Strategien, Ansatzpunkte und Lösungen vorschlagen sollte. Wir warten gespannt auf die ersten Informationen.
Welche Auswirkungen hat die steigende Präsenz von Internet und Sozialen Medien auf Ihre Arbeit?
Die neuen Medien sind ein Hilfsmittel und ein Kommunikationsinstrument, welche heutzutage als selbstverständlich gebraucht werden. Auch die Polizei kann und muss diese Instrumente nutzen und somit die ab und zu negativen Aspekte derselben akzeptieren. Wenn diese Medien heute genutzt werden so müssen wir uns auch damit befassen und über diese Medien kommunizieren. Somit bleiben wir in Kontakt mit den Benutzern und auch der 2.0 Bevölkerung. Es ist somit unabdingbar die nötigen Mittel einzusetzen (finanzieller Art) damit wir diese Medien haben und nutzen können.
Private Sicherheitsdienste wachsen rasant und oft gibt es kein «Gütesiegel« für diese Unternehmen. Nach welchen Kriterien sollte man diese Firmen beurteilen?
Private Sicherheitsunternehmungen machen generell einen guten Job und können – wenn sie in einem eingerahmten, klaren und geregelten Aufgabenbereich tätig bleiben – eine wahre Unterstützung für die innere Sicherheit des Landes sein. Es ist aber wichtig, dass hier für alle die gleichen Spielregeln und Vorschriften gelten. Ein Gütesiegel wäre allerdings ein wichtiger Schritt in dieser Richtung. Dazu braucht es aber zuerst eine schweizweite Regelung dieser Firmen. Ausbildung, Weiterbildung, Kompetenzen und Haftung sind nur einige der Punkte, die in so einer Regelung Platz finden müssen. Leider hat sich herausgestellt, dass ein schweizweites Konkordat nicht zustande kommen wird. Das ist schade, denn man arbeitete schon seit Jahren daran. Unserer Meinung nach kann nur eine Bundeslösung diese fehlende Regelung sein. Interessant ist auch zu wissen, dass hier der Verband Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen VSSU auf unserer Linie ist und dieselbe Idee verfolgt.
Wie ist es zu diesem „Security Branchen Boom“ gekommen?
Das Bedürfnis nach Sicherheit ist in den letzten Jahren gestiegen und das subjektive Sicherheitsgefühl spielt natürlich eine ganz grosse Rolle. Prävention und Präsenz sind zwei der wichtigsten Aspekte um das Sicherheitsgefühl zu stärken und um auch als abschreckende Massnahme gegenüber der Kriminalität zu wirken. Somit ist das Aufbieten von Sicherheitsfirmen eine Antwort auf das Bedürfnis der Präsenz und Sichtbarkeit von Sicherheitsstrukturen. Dies muss auch der Staat als Hilferuf wahrnehmen und im Sinne von Aufstockungen des Personal und mit dem Einsatz der nötigen finanziellen Mitteln konsequent handeln, damit die innere Sicherheit weiterhin gewährleistet werden kann.
Die polizeiliche Zusammenarbeit soll im europäischen Raum verbessert werden. Wie wichtig ist diese Zusammenarbeit für den VSPB?
Zusammenarbeit und Informationsaustausch sind in dieser grenzenlosen und globalisierten Welt Mittel, die absolut ausgenutzt werden müssen. Ohne hier in eine politische Debatte einzutreten, ob Schengen ja oder nein oder ob EU ja oder nein (was grundsätzlich die Zusammenarbeit oder den Datenaustausch nicht in Frage stellen sollte), ist es allen klargeworden, dass ohne Informationen die Arbeit stark erschwert wird. Somit steht auch fest, dass alles darangesetzt werden muss, damit Informationen und Zusammenarbeit weiterhin Prioritäten im Rahmen der inneren Sicherheit bleiben.
Jeder Polizist, der im Aussendienst arbeitet, sollte sehr stressresistent und versiert im Umgang mit Menschen sein. Welchen speziellen Trainings folgen Ihre Polizisten?
Mit der beruflichen Anerkennung auf Bundesebene im Jahr 2003 hat die Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht. In den regionalen Ausbildungszentren werden die nötigen Instrumente und Fähigkeiten erlernt, damit in den verschiedensten Situationen korrekt und richtig gehandelt werden kann. So sind z.B. Ethik und Psychologie wichtige Schulungs- und Prüfungsfächer. Ausbildung und Weiterbildung sind und bleiben die wohl wichtigsten Instrumente für die Polizistinnen und Polizisten. Demzufolge sind die Diskussionen und Vorbereitungen zur Modernisierung und Anpassung des bildungspolitischen Gesamtkonzeptes BGK 2020 für die Strafverfolgungsbehörden sehr wichtig und werden durch den VSPB auch unterstützt.
Wie hat sich die Arbeit der Polizei in den letzten Jahren verändert?
Die Aufgaben der Polizei sind in den Jahren stetig gestiegen und auch die Anforderungen an die Polizistinnen und Polizisten haben diese Entwicklung mitgemacht. Die rasante Kommunikation, die grenzenlose Kriminalität, die Globalisierung der Polizeiarbeit, die 24-Stunden-Gesellschaft und die sinkende Hemmschwelle gegenüber jeglicher Autorität haben natürlich unsere Arbeit nicht erleichtert. Aber die Professionalität aller Polizistinnen und Polizisten hat und wird es auch in Zukunft schaffen, dem allem Stand zu halten und weiterhin die innere Sicherheit des Landes zu garantieren.
Welche Entwicklungen sehen Sie voraus?
Die Technologie wir uns weiterhin in unserer Arbeit prägen – sowohl im positiven wie aber auch im negativen Sinne. Das heisst, dass wir immer auf dem höchsten Niveau in Sachen Material und Ausbildung stehen müssen, um die Kriminalität mit den richtigen Instrumenten bekämpfen zu können. Schön wäre es, all die nötigen Mittel zu haben damit wir diese Phänomene voraussehen und verhindern könnten.
Einige Berufsverbände klagen über mangelndes Interesse für ihren Berufsstand und können nicht ausreichend Nachwuchskräfte rekrutieren. Hat die Polizei das gleiche Problem?
In den letzten Jahren haben sich laut Aussage einiger Kantone vereinzelt Engpässe ergeben. Nach unseren Informationen hat es aber immer noch genügend junge Frauen und Männer, die sich für den schönen und abwechslungsreichen Polizeiberuf interessieren. Ganz klar ist es sehr wichtig, dass die Rahmenbedingungen stimmen, damit der Beruf auch weiterhin attraktiv bleibt. Es geht natürlich nicht nur um den Lohn – der sicher ein wichtiger Bestandteil ist – sondern auch um Pensionierungsalter, Rechtschutz, Ausrüstung usw.