Zu Beginn möchte ich Ihnen gern zwei persönliche Fragen stellen, Herr Schenck. Sie haben nicht nur Ökonomie studiert, sondern auch promoviert. Welche Vision und Ambitionen hatten Sie damals als junger Mann für Ihre Karriere?

Bevor ich Banker geworden bin, war ich ein äußerst theoretisch orientierter Volkswirt. Insbesondere die Spieltheorie hat mich fasziniert. Diese war vor allem angewandte Mathematik, die damals nur in begrenztem Maße mit den tatsächlichen Herausforderungen des realen Wirtschaftslebens zu tun hat. Ursprünglich habe ich angestrebt, nach dem Abschluss an der Universität zu bleiben und eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Mein größter Wunsch war es, Professor für Volkswirtschaftslehre zu werden.

Ein Stück weit habe ich als Student verschiedene Praktika absolviert, auch, um mir meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. In diesem Zusammenhang führte mich mein Weg zu einem Unternehmen, das mir als Student weitgehend unbekannt war – McKinsey. Ich erhielt über ein Stipendienprogramm einer Stiftung die Möglichkeit, dort ein Praktikum zu absolvieren. Diese Erfahrung war für mich ein echter Augenöffner. Ich arbeitete in Teams, in denen gemeinsam an Lösungen gearbeitet wurde. Ich empfand diese Art der Zusammenarbeit als ungemein spannend und bereichernd. Diese völlig neue Arbeitsweise hat sich stark von meiner bisherigen Tätigkeit als Student unterschieden, bei der ich allein am Schreibtisch saß und mich mit komplexen theoretischen Modellen auseinandersetzte. Nach zwei Monaten wurde mir ein Angebot unterbreitet. Besonders attraktiv war ein Programm, das es mir ermöglichte eine Promotion zu absolvieren. Ich empfand diese Möglichkeit als äußerst reizvoll und entschied mich recht spontan, das Angebot anzunehmen.

Mein späterer Wechsel ins Investmentbanking war mehr oder weniger Zufall. Ich hatte die Gelegenheit, den damaligen Deutschlandchef einer führenden Investmentbank kennenzulernen, der mir erste Einblicke in die Branche gab. Im Investmentbanking erzielt man sehr klare und greifbare Ergebnisse – das hat mich beeindruckt. Man kann unmittelbar beobachten, wenn ein Projekt zu einem Abschluss kommt – sei es durch die Unterzeichnung eines Kaufvertrags oder den erfolgreichen Börsengang eines Unternehmens. In der Unternehmensberatung hingegen war es häufig so, dass man ein Projekt initiierte, sich anschließend jedoch zurückzog und nur aus der Distanz verfolgte, ob und wie die erarbeiteten Empfehlungen umgesetzt wurden. Die konkreteren und greifbareren Erfolge im Investmentbanking haben mich letzlich besonders gereizt. Im Nachhineinbetrachtet, habe ich diese Entscheidung nicht bereut.

Was hat Sie zu Beginn Ihrer Karriere motiviert und welche dieser Antriebsfaktoren sind auch heute noch für Sie relevant?

Während mich in meiner frühen Karrierephase vor allem die persönliche Weiterentwicklung und der Wissenszuwachs antrieben, liegt mein Fokus heute auf der strukturellen und strategischen Weiterentwicklung einer Organisation. Meine Entscheidung, zu Lazard zu wechseln, wurde maßgeblich davon beeinflusst, dass es sich hierbei um eine der traditionsreichsten Marken in gesamten Sektor handelt. Ich habe die Herausforderung darin gesehen, das Potenzial dieser Marke voll auszuschöpfen und die Stärken des gesamten Unternehmens gezielt zu nutzen, um nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben. Mit Lazard wirke ich an einem der aktuell spannendsten Projekte im deutschsprachigen Raum mit. Wir haben immenses Potential im Markt. Diese Entwicklung aktiv mitzugestalten und das Unternehmen weiter nach vorne zu bringen, ist eine äußerst spannende Aufgabe.

Welche Faktoren treiben Sie heute konkret an, Ihren Tag mit Motivation zu beginnen?

Meine Motivation hat sich über die Jahre hinweg nicht grundlegend verändert. Was sich verändert hat, ist mein Blickwinkel. Ich verbringe nach wie vor den Großteil meiner Zeit – etwa 95 Prozent – mit direkter Klientenarbeit. Insofern unterscheidet sich meine heutige Tätigkeit in diesem Aspekt gar nicht so sehr von meinen frühen Berufsjahren. Mein Ziel ist es nach wie vor, Projekte voranzutreiben und diese erfolgreich abzuschließen. Natürlich hatte ich damals eine andere Rolle innerhalb der Teams als heute, aber die grundlegende Motivation ist im Kern gleich geblieben. Heute empfinde ich es als besonders bereichernd, nicht nur meinen eigenen Beitrag zum Erfolg eines Projekts zu sehen, sondern auch zu beobachten, wie meine Kolleginnen und Kollegen aktiv mitgestalten und wir gemeinsam als Team das gesamte Konstrukt weiterentwickeln. Gerade in den letzten 24 Monaten haben wir als Unternehmen erhebliche Fortschritte gemacht. Diese Entwicklung aktiv mitzugestalten und zu erleben dass unsere Arbeit Früchte trägt, ist für mich eine große Motivation – und ein wesentlicher Grund, warum ich morgens mit Freude in den Tag starte.

Wir richten den Fokus der Fragen nun auf das aktuelle Marktgeschehen. Angesichts der aktuellen politischen Herausforderungen und Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld – wie sehen Sie die wirtschaftliche Position Deutschlands in den nächsten Jahren? Welche Faktoren beeinflussen Ihrer Meinung nach die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort, und was könnte getan werden, um international wettbewerbsfähig zu bleiben und Investitionen anzuziehen?

Deutschland ist in der Tat mit einigen strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt in Deutschland nach wie vor unter dem europäischen Durchschnitt. Dies kann langfristig Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben. Gleichzeitig sind die Energiekosten nach wie vor hoch. Denn Deutschland hat im Gegensatz zu den USA keine nennenswerten natürlichen Ressourcen. Dies verschafft den Vereinigten Staaten einen strategischen Vorteil, während Deutschland dabei von Importen abhängig ist. Ein weiteres strukturelles Defizit ist der Investitionsstau in essenzielle Infrastrukturbereiche, der sich über die vergangenen 20 bis 30 Jahre aufgebaut hat. Das Schienennetz ist ein offensichtliches Beispiel für diesen Rückstand, aber auch im Bereich der Digitalisierung wird das Problem deutlich – ich selbst warte beispielsweise seit drei Jahren auf einen Glasfaseranschluss in meinem Wohnort. Allerdings ist es wichtig, nicht die Stärken des Landes zu übersehen. Deutschland besitzt nach wie vor zahlreiche positive Aspekte. In unserer Arbeit beschäftigen wir uns intensiv mit diesen Themen, da sie teilweise direkt in unseren Tätigkeitsbereich fallen. Besonders hervorzuheben ist die dynamische Start-up-Szene in Deutschland, in der in den vergangenen Jahren eine Vielzahl innovativer Technologien entwickelt wurde, die in der breiten Öffentlichkeit noch nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Auch die deutsche Facharbeiterausbildung genießt international weiterhin hohes Ansehen. Viele Länder blicken mit gewissem Neid auf unser duales Ausbildungssystem, das eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis ermöglicht. In den vergangenen Jahren wurde allerdings der akademische Bildungsweg oft als überlegen dargestellt, während eine klassische Berufsausbildung an Ansehen verloren hat. Dabei halte ich eine fundierte Lehre nach wie vor für eine hervorragende Option, und es wäre für Deutschland von Vorteil, diesen Bildungsweg wieder stärker in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken.

Wie schätzen Sie die Rolle der deutschen Regierung bei der finanziellen Unterstützung und Rettung großer Unternehmen ein?

Es ist wichtig, dass wir in Deutschland nicht der Illusion verfallen, der Staat sei der bessere Unternehmer. Die wirtschaftshistorische Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg hat in vielen Teilen der Welt eindrucksvoll gezeigt, dass dies schlichtweg nicht der Fall ist. Allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass sich der Staat in Krisensituationen vollständig aus der Verantwortung ziehen sollte. Hier muss man differenzieren: Es gibt Krisen, die durch externe, unvorhersehbare Faktoren ausgelöst werden – sogenannte exogene Schocks. Ein Beispiel dafür ist die Corona-Pandemie, in deren Verlauf zahlreiche Unternehmen in existenzielle Notlagen gerieten, ohne dass sie dies selbst verschuldet hatten. In einer solchen Situation gab es kurzfristig keine alternative Lösung, als dass der Staat eingriff und finanzielle Unterstützung gewährte. Ein weiteres Beispiel ist der durch den Ukraine-Krieg ausgelöste extreme Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise. Auch hier handelte es sich um ein exogenes Ereignis, das eine unmittelbare wirtschaftspolitische Reaktion erforderte. Vor diesem Hintergrund halte ich es für absolut nachvollziehbar, dass der Staat in solchen Fällen interveniert hat, um wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.

Positiv ist zudem, dass Deutschland bisher gezeigt hat, dass es in der Lage ist, sich nach einer Phase staatlicher Intervention wieder aus diesen Engagements zurückzuziehen, sobald die Situation stabilisiert ist. Insbesondere nach der Corona-Krise hat der Staat seine Beteiligungen wieder erfolgreich reduziert. Ein weiteres Problemfeld ist jedoch der internationale Wettbewerbsdruck. In anderen marktwirtschaftlich geprägten Ländern ist es keineswegs so, dass der Staat sich grundsätzlich aus wirtschaftlichen Prozessen heraushält. Im Gegenteil, viele Staaten verfolgen protektionistische Strategien, indem sie Zölle erheben, lokale Wertschöpfungsketten bevorzugen oder bestimmte Industriezweige massiv subventionieren. In diesem Kontext muss Deutschland genau abwägen, ob es als eines der wenigen Länder konsequent an reinen marktwirtschaftlichen Prinzipien festhält oder ob es sich ebenfalls gezielt in strategisch wichtigen Bereichen engagiert. Ein vollkommen laissez-faire-orientierter Ansatz wird in einem Umfeld zunehmender globaler Regulierung und wirtschaftlicher Eingriffe wohl kaum dauerhaft funktionieren.

Besonders relevant wird staatliche Unterstützung dann, wenn es darum geht, technologische Sprünge zu ermöglichen. In der Vergangenheit war es kaum möglich, bahnbrechende Innovationen im Bereich der Grundlagenforschung ohne staatliche Beteiligung zu realisieren. Ein Beispiel dafür ist die Etablierung der Atomindustrie, die ohne staatliche Förderung in der Anfangsphase kaum denkbar gewesen wäre.  Immer dann, wenn umfangreiche Grundlagenforschung erforderlich ist, kann es notwendig sein, dass der Staat initial mitfinanziert, da private Investoren sich oft zurückhalten, wenn die wirtschaftliche Rentabilität noch ungewiss ist.

Hier zeigt sich eine weitere strukturelle Schwäche Europas: Im Bereich des Risikokapitals gibt es einen erheblichen Nachteil im Vergleich zu den Vereinigten Staaten. Wenn man sich die Summen ansieht, die in den USA als Venture Capital investiert werden, und diese mit den Investitionen in Europa vergleicht, wird deutlich, dass dazwischen ein enormes Ungleichgewicht besteht. Europäische und insbesondere deutsche Start-ups haben es daher wesentlich schwerer, an Kapital zu gelangen, als es für vergleichbare Unternehmen in den USA der Fall ist. Die Politik sollte sich daher mit der Frage auseinandersetzen, wie das regulatorische Umfeld für Risikokapitalgeber in Europa attraktiver gestaltet werden kann. Eine entscheidende Maßnahme wäre die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion, die es Unternehmen erleichtert, über nationale Grenzen hinweg Zugang zu Finanzierungen zu erhalten. Derzeit fehlt ein solcher einheitlicher Kapitalmarkt in Europa, was insbesondere jungen, wachstumsstarken Unternehmen den Zugang zu Investoren erschwert. Um diese Problematik anzugehen, organisieren wir als Unternehmen gemeinsam mit der UnternehmerTUM in München jährlich eine Veranstaltung, bei der wir angelsächsische Venture-Capital-Firmen mit Start-ups zusammenbringen, die aus dem Innovationsökosystem der UnternehmerTUM hervorgegangensind. Der Austausch mit internationalen Investoren, insbesondere aus den USA und Großbritannien, ist für viele dieser jungen Unternehmen wichtig, da es in Europa schlichtweg nicht genügend verfügbare Risikokapitalquellen gibt. Ein früherer Kollege sagte ein mal treffend: Die Renditeerwartung eines Finanzinvestors steigt proportional zur Entfernung von seinem eigenen Standort. Das bedeutet, dass Investoren in Kalifornien naturgemäß eher in Unternehmen aus Kalifornien investieren als in Start-ups aus München. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass wir in Europa und insbesondere inDeutschland mehr Venture Capital benötigen, um die Innovationskraft unseres eigenen Standorts nachhaltig zu stärken.

Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen, in dem es darum ging, dass Investoren aus dem arabischen Raum zunehmend eigenständig in Europa auftreten – sowohl bei Übernahmen als auch im VC-Bereich mit eigenen Fonds. Hat sich dieser Trend in den letzten Jahren spürbar verstärkt?

Im Bereich des Venture Capital ist noch nicht absehbar, ob die Aktivitäten von Investoren aus dem Mittleren Osten bereits einen wirklich spürbaren Unterschied machen. Aber es ist eindeutig festzustellen, dass das Volumen des Kapitals aus dieser Region in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat. Diese Entwicklung hängt maßgeblich mit der positiven Rohstoffpreis-Entwicklung zusammen, wodurch sich dort enormes Kapital angesammelt hat. Gleichzeitig haben viele dieser Investoren begonnen, ihre Strukturen deutlich zu professionalisieren und Organisationen aufzubauen, die darauf spezialisiert sind, dieses Kapital gezielt und strategisch zu investieren. Wenn wir die Situation mit vor 10 oder 15 Jahren vergleichen, fällt auf, dass diese Investoren heute in vielen Prozessen nicht nur häufiger vertreten sind, sondern auch eine wesentlich aktivere Rolle einnehmen. In jüngster Zeit haben wir einige bedeutende Akquisitionen in Deutschland beobachtet, an denen sie beteiligt waren. Auch in Bieterverfahren treten sie regelmäßig auf. Auch wenn sie nicht immer den Zuschlag erhalten, werden sie als ernstzunehmende Teilnehmer wahrgenommen.

In der Praxis sehen wir mittlerweile in nahezu jedem größeren Prozess Investoren aus dem Mittleren Osten. Während sie früher schon über beträchtliches Kapital verfügten, ist der entscheidende Unterschied heute vor allem die konsequente Professionalisierung ihrer internen Strukturen und Prozesse. In der Art und Weise, wie sie solche Transaktionen begleiten und ihre Strategien umsetzen, unterscheiden sie sich kaum noch von etablierten angelsächsischen Finanzinvestoren.

Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist Leadership. Sie hatten die Aufgabe, das Investment- Banking der Deutschen Bank neu auszurichten – zu einer Zeit, als die Attraktivität des Investmentbankings bei der Deutsche Bank insgesamt schwand und mit starkem Gegenwind zu rechnen war. Wie geht man als Führungskraft mit einer solchen Herausforderung um, wenn der Markt und die öffentliche Wahrnehmung sich gegen den eigenen Geschäftsbereich wenden?

Es ist natürlich immer einfacher, ein Unternehmen zu führen und weiterzuentwickeln, wenn dies unter dem Vorzeichen von Wachstum steht. Zur damaligen Zeit waren die Rahmenbedingungen für Wachstum eingeschränkt. Es ist von entscheidender Bedeutung – und das gilt sowohl im Kleinen als auch im Großen –, eine klare Zielvorstellung oder ein Leitbild zu haben. Eine Art Nordstern, der Orientierung gibt und verdeutlicht, wohin man sich entwickeln möchte. Dieser Nordstern kann beispielsweise darin bestehen, sich stärker zu fokussieren und bestimmte Bereiche zu priorisieren, anstatt alles gleichzeitig zu machen. Ich binüberzeugt, dass jede Entwicklung damit beginnt, eine klare Richtung vorzugeben – sowohl für sich selbst als auch für die Organisation und die Menschen, die dahinterstehen. Dabei halte ich es für unerlässlich, sich zunächst die Frage zu stellen: Was kann ich eigentlich besonders gut? oder Wo liegen meine Stärken? Diese zu identifizieren und darauf aufzubauen, halte ich für wesentlich sinnvoller, als sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, in allen anderen Bereichen besser zu werden. Natürlich kann es wichtig sein, auch Schwächen anzugehen. Doch der erste Schritt sollte immer sein, die vorhandenen Stärken zu nutzen und auszubauen. Ein Beispiel hierfür ist meine Erfahrung bei Lazard. Eines der ersten Dinge, die mir aufgefallen sind, war unser außergewöhnlich tiefes, globales Netzwerk sowie die enorme Sektorkompetenz unserer erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. In Deutschland hatten wir noch immenses Potential in dem Bereich. Als ich hier anfing und später auch Christian dazu stieß, haben wir genau das als einen der ersten Schwerpunkte gesetzt: dieses Potenzial viel stärker auszuschöpfen.

Eine klare Zielvorstellung zu entwickeln, bedeutet also nicht nur, die Richtung vorzugeben, sondern auch die Stärken der Organisation konsequent zu nutzen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Menschen möglichst früh erste Fortschritte aufzuzeigen. Wenn man ein großes Ziel hat, aber gefühlt ewig auf der Stelle tritt, wird es sehr schwierig, das Team langfristig zu motivieren. Kleine Erfolge dienen als wichtige Meilensteine, die zeigen, dass man sich tatsächlich in die richtige Richtung bewegt. Darauf lässt sich aufbauen, und genau diese sichtbaren Fortschritte wecken die Motivation, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Sie haben sowohl bei der Deutschen Bank als auch jetzt bei Lazard in einer Co-Lead Position gearbeitet. Welche Herausforderungen und Vorteile sehen Sie in einer Führungsrolle im Co- Leadership?

In Investmentbanken ist es nicht unüblich, dass es Co-Heads oder sogar Tri-Heads gibt. Diese Struktur bringt große Vorteile mit sich. Wenn man für ein Themengebiet oder ein Team Verantwortung trägt, Entscheidungen treffen muss, kann es ein erheblicher Vorteil, eine zweite Person zu haben, mit der man wichtige Punkte nochmals durchsprechen und reflektieren kann. Darüber hinaus ermöglicht die Aufteilung der Verantwortlichkeiten eine bessere Abdeckung mehrerer Aufgaben und Termine, da man schlichtweg nicht immer an mehreren Orten gleichzeitig sein kann. Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Der Abstimmungsaufwand ist naturgemäß höher, und die beteiligten Personen sollten sich in gewisser Weise ergänzen. 

Entscheidend ist, dass es ein gutes persönliches Verhältnis zwischen den Partnern gibt. Zwei Menschen einfach zusammenzustellen, weil sie fachlich komplementär sind, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch erfolgreich zusammenarbeiten können.  Bei Lazard funktioniert das ausgezeichnet. Christian Kames und ich ergänzen uns – und wir kennen uns seit einem Vierteljahrhundert. Dieses lange gemeinsame Vertrauen – wir verstehen uns nicht nur fachlich, sondern auch persönlich ausgezeichnet – ist der Schlüssel dafür, dass diese Zusammenarbeit so gut funktioniert. Aber es gibt auch Fälle, in denen das nicht gelingt – eine Garantie für Erfolg gibt es bei diesem Modell nicht.

In Ihrem Podcast mit dem Mannheimer Investment Club erwähnten Sie, dass Lazard besonders durch hohe Eigenverantwortung und Unternehmergeist geprägt ist. Wie spiegelt sich diese Philosophie in Ihrem Führungsstil wider?

Bei Lazard ist die Struktur besonders darauf ausgelegt, unternehmerisches Denken zu fördern. Es wird von jedem erwartet, eigenständig zu reflektieren: Welche Projekte lohnen sich wirklich? Was ist die beste Art, mein Thema voranzubringen? Dieses unternehmerische Denken zeigt sich auch in der Organisationsstruktur. Unsere Teams sind oft kleiner als in anderen Unternehmen,was dazu führt, dass schon jüngere Mitarbeiter eine hohe Eigenverantwortung übernehmen. Es gibt hier selten Situationen, in denen jemand gesagt bekommt: Mach die folgenden drei Schaubilder. Vielmehr geht es darum: Hier ist das Thema. Finde den besten Weg, um es zu lösen. Wenn du Fragen hast, komm gerne auf uns zurück.

Genau das verstehe ich unter einer unternehmerischen Kultur: den Menschen viel Freiraum geben, ihnen aber gleichzeitig das Gefühl vermitteln, dass jederzeit Unterstützung da ist, wenn sie benötigt wird – und zwar auf allen Ebenen. Das gilt letztlich auch für mich selbst.

Überall, wo ich bisher gearbeitet habe, war es mir zudem von Anfang an wichtig, klarzustellen: Wer übernimmt meinen Job, wenn ich nicht da bin? In jeder Position konnte ich genau sagen: Es gibt mindestens zwei oder drei Leute, einer von ihnen kann meine Aufgaben übernehmen. Diese „Nachfolgeplanung“ war mir immer sehr wichtig. Warum erwähne ich das? Weil es ein wesentlicher Bestandteil meines Verständnisses von Führung ist. Für mich geht es darum, ein Team nicht nur zu führen, sondern vielmehr zu coachen, die Mitarbeiter zu unterstützen, und dann, wenn sie die Unterstützung nicht mehr brauchen, möglichst viel Freiraum zu geben. Ich erinnere mich daran, wie ich als Junior oft genervt war, wenn mir Senior-Kollegen bis ins kleinste Detail gesagt haben, was ich zu tun habe. Oft dachte ich: Das weiß ich selbst. Leitplanken vorgeben, ja – aber innerhalb dieser Leitplanken möchte man selbst Verantwortung übernehmen und zeigen, was man kann. Gerade bei hochmotivierten, kompetenten Menschen, die ohnehin davon überzeugt sind, dass sie ihre Arbeit sehr gut machen, funktioniert das am besten, wenn man sie nicht in enge Strukturen presst.

Abschließend: Was ist der beste Rat, den Sie Studierenden geben können, die am Beginn ihrer Karriere stehen?

Ich sehe immer wieder Lebensläufe, bei denen Kandidatinnen und Kandidaten alle vermeintlich „relevanten“ Stationen abgehakt haben: fünf Praktika, möglichst vielfältige Erfahrungen, jede Box wurde getickt. Für mich ist entscheidend, nicht nur davon getrieben zu sein Was sieht gut auf meinem Lebenslauf aus? oder Welche Stationen kommen bei Arbeitgebern besonders gut an?, sondern sich zu fragen: Was macht mir wirklich Freude? Was begeistert mich so sehr, dass ich meine Energie da hineininvestieren möchte? Mich beeindruckt, wenn ich erkenne, dass jemand sich wirklich für ein Thema begeistert und tief eingetaucht ist. Diese Begeisterung führt häufig zu außergewöhnlichen Ergebnissen – das ist für mich viel relevanter als ein perfekt durchgeplanter Karriereweg. Wir hatten kürzlich ein Abendessen mit den Senior Partners unserer Investmentbank. Dort haben wir uns gegenseitig erzählt, wie wir eigentlich hier gelandet sind. Wir waren acht Leute am Tisch – alle in meiner Altersstufe –, und niemand von uns hatte ursprünglich die klare Absicht, unbedingt in einer Investmentbank zu arbeiten. Bei allen war eines auffällig: Jeder von uns hatte sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für ein Thema brennend interessiert, und diese Begeisterung hat uns letztlich dahingeführt, wo wir heute stehen.

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Dr. Marcus Schenck joined Lazard in 2022 to head its Financial Advisory business in the DACH region. Marcus started his professional career as a Management Consultant at McKinsey before working at Goldman Sachs in Investment Banking for over a decade where he ran Investment Banking services for EMEA as a Partner. He subsequently served as CFO on the Management Board of E.ON SE before joining Deutsche Bank AG as its CFO and later as Deputy CEO leading the Corporate and Investment Bank. Prior to joining Lazard, he worked for three years as a Partner with Perella Weinberg Partners. Marcus studied Economics at the University of Bonn and the University of California, Berkeley and has a Ph.D. from the University of Cologne.