Frau Zimmermann, wie sind Sie in Ihrer heutigen Position als CEO von Kununu gelandet – was hat Sie dabei motiviert? 

Es gibt zwei Antworten auf diese Frage: Warum möchte man überhaupt CEO werden und wie schafft man es, dieses Ziel zu erreichen? Ich selbst hatte immer grosse Lust, in einem Unternehmen tätig zu sein und es reizte mich, die Gesamtverantwortung zu haben. Auf dem Weg dahin braucht man nicht nur ein gewisses Mass an Ehrgeiz, sondern auch einen guten Plan, denn der Erfolg wird fällt einem nicht einfach in den Schoss. In meinem Fall spielte eine gewisse Menge an Zufall auch eine wichtige Rolle. Vor meiner Zeit bei Kununu war ich bei Burda, dem grössten Shareholder von New Work und Kununu und wollte nach 5 Jahren etwas anderes erleben und Burda verlassen, wobei ich noch nicht wusste, wohin genau ich gehen möchte.  Damals hat mich Martin Weiss, der jetzige CEO von Burda auf New Work SE hingewiesen und mich mit der Vorstandsvorsitzenden Petra von Stromberg bekannt gemacht. Ich war damals schon vom Konzept der Plattform begeistert und von ihrem Impact überzeugt und war motiviert, mitzumachen. Und nach einem sehr positiven Gespräch mit beiden bin ich in meiner jetzigen Position gelandet.  

Wie vereinbart man Berufliches und Privates in der Position als CEO? 

Das Vereinbaren von Beruflichem und Privatem ist meiner Meinung nach tatsächlich schwierig. Ich selbst bin in London gross geworden und seit ich mich erinnern kann hat meine Mutter immer gearbeitet. Dadurch wurde mir klar, dass man berufstätig sein kann, eine erfolgreiche Karriere machen, und nebenbei auch eine Familie aufbauen kann. Mit diesem Mindset bin ich in Deutschland zu Beginn meiner Karriere jedoch auf Widerstand gestossen, als ich mit meinem ersten Kind schwanger war. Ich selbst habe es aber von Anfang an als selbstverständlich angesehen und dementsprechend funktionierte es auch. Man sollte sich jedoch immer bewusst sein, dass es nicht einfach ist. Viele Dinge kommen zu kurz und man selbst muss viele Themen reflektieren. Persönlich fand ich hierbei ein gutes Netzwerk, also Leute, mit denen man sich austauschen kann, sehr wichtig. 

Sie haben aus persönlicher Erfahrung berichtet, dass Sie als Frau mit Kind in einer Führungsposition auch kritisch betrachtet wurden. Was muss Ihrer Meinung nach verändert werden, damit mehr Frauen in Führungspositionen gelangen und die Kombination von Familie und Karriere bei Frauen nicht negativ betrachtet wird? 

Es benötigt, simpel gesagt, mehr Frauen in solchen Positionen. Meine jetzige Position habe ich auch erreicht, weil ich viele männliche Vorgesetzte hatte, die mir den Weg ermöglicht haben. Es ist momentan das erste Mal in meiner beruflichen Karriere, dass ich einer Frau überhaupt berichte – was mich an meiner Position noch extra begeistert. Also wird sich nur etwas verändern, wenn mehr Frauen sichtbar in hohen Positionen sind. Aber ich will jetzt nicht nur über Frauen sprechen, sondern auch übr das grundsätzliche Thema Diversity, bei dem ich als Woman of Colour noch andere Widerstände gespürt habe. Es mangelt meiner Meinung nach an Diversität unter Führungskräften, was sehr stark dadurch bedingt ist, dass Führungskräfte meist Personen einstellen, die ihnen ähnlich sind. Deswegen stimmt das Klischee leider: Der alte weisse Mann stellt andere weisse Männer ein. Das ist momentan die Lage, gegen die wir jedoch etwas unternehmen müssen – nicht nur für die Frauen.  

Eine mögliche Lösung, die sehr kontrovers diskutiert wird, ist die Einführung einer Frauenquote. Was halten Sie davon? 

Zuerst einmal finde ich es spannend, dass dieses Thema überhaupt so kontrovers diskutiert wird, weil es ohne nicht funktionieren wird. Es braucht eine gewisse positive Diskriminierung. Mein Problem an der Kritik einer Frauenquote ist, dass man den Personen grundsätzlich unterstellt, nicht fähig genug zu sein. Mit dieser Grundeinstellung wird sich nichts ändern. Ich spreche mich ehrlich gesagt eher dafür aus, weil eine grundlegende Veränderung nicht von alleine stattfindet -  man muss die bestehenden Strukturen herunterbrechen. Und Frauen sollen sich dabei nicht rechtfertigen, ob sie die Fähigkeiten haben, ein CEO oder Führungskraft zu werden – sie brauchen einfach mehr Möglichkeiten, dorthin zu kommen. 

Sie selbst waren bei sehr vielen verschiedenen Unternehmen tätig und haben viel gesehen. Was ist Ihnen persönlich bei Mitarbeitenden wichtig, um Sie zu überzeugen? 

Das ist eine sehr spannende Frage. Ich halte Skills immer für etwas Relatives, zum Beispiel analytische Fähigkeiten oder ein strategischer Blick. Diese halte ich für Fähigkeiten, die man erlernen kann. Aber es gibt andere Dinge, die man nicht lernen kann, aber die mindestens genauso relevant sind. Ist man ehrgeizig, hat man „Hunger“, kann man ein bisschen „Out of the Box Thinking“ betreiben oder ist man ein Teamplayer? Das sind die Dinge, die eigentlich die grossen Unterschiede machen und auf die wir achten, wenn wir Personen einstellen. Mich persönlich interessieren auch spannende Dinge auf dem Lebenslauf, die stark ins Auge fallen. Es muss nicht der geradlinige Lebenslauf sein, der am Ende die besten Chancen hat. Manchmal sind Skills, die primär nichts mit dem Job zu tun haben, genauso relevant. So fällt mir direkt auf, wenn jemand in seinem Lebenslauf stehen hat, dass er Leistungssportler ist oder gerne Marathon läuft. Das sagt mir, dass diese Person eine gewisse Disziplin und einen gewissen Ehrgeiz entwickeln kann, und solchen Personen gebe ich gerne eine Chance. Ich habe auch schon Unternehmensberater eingestellt, die keine operative Erfahrung hatten, aber motiviert waren, nicht nur Powerpoint Slides zu erstellen, sondern selber etwas aufzubauen. Obwohl sie erst einmal keine Fähigkeiten haben, bringen sie eine gewisse Grundvoraussetzung an Skills und Fähigkeiten mit, aber auch die Lust, etwas auszuprobieren – das finde ich immer sehr spannend. 

Häufig ist das Gehalt ein entscheidender Punkt bei der Jobwahl. Gesellschaftlich ist es häufig ein Tabuthema, über genaue Gehälter zu sprechen. Wandelt sich das gerade Ihrer Meinung nach? 

Ja! Endlich, endlich wandelt sich da etwas! Gehalt ist auch ein etwas schwieriger Punkt, besonders am Anfang der Karriere. Was soll man verlangen? Zum Glück gibt es die jüngere Generation, die völlig anders mit dem Thema Gehaltstransparenz umgeht als meine. Wir haben dafür einen sehr erfolgreichen Tik-Tok-Kanal. Wir machen Strasseninterviews und fragen die Leute: Was verdienst du? Oder was denkst du, wer verdient mehr: Mechaniker oder Gabelstapler? Man geht ein bisschen spielerisch mit dem Thema um, was zu wenigen Problemen führt. In älteren Generationen ist das schwieriger. Es gibt Eltern, die nicht mal wissen, was ihre Kinder verdienen – man redet einfach nicht darüber. Im deutschsprachigen Raum wandelt sich das zum Glück; es kommt eher von unten als von oben. Wir selbst sind ein sehr gutes Beispiel, weil wir natürlich auch Gehaltsdaten sammeln. Es ist ein Teil unserer Mission, auch die Arbeitswelt besser zu machen und damit sind die Arbeitgeber auch gezwungen auszusagen, ob die Zahlen stimmen oder nicht. Witzigerweise bekommen wir am wenigsten Beschwerden von Arbeitgebern über die Gehaltsangaben – eher über andere Bewertungen. Das heisst, wenn wir genug Daten sammeln, werden sie wahrscheinlich stimmen. Ich finde es sehr gut, dass sich dabei etwas tiefgreifend, auch auf EU-Ebene, ändert.  

Würden Sie sagen, dass diese zunehmende Gehaltstransparenz in puncto Gender-Pay-Gap einen Unterschied macht?  

Ja, absolut! Wir bringen immer am Anfang des Jahres einen grossen Gehaltsreport heraus, wo wir Industrien, Regionen und sämtliche Funktionen analysieren und sagen auch, wie sich die Gehälter entwickelt haben. Was sich dabei zum Beispiel zeigt ist, dass wir immer noch eine sehr grosse Kluft zwischen Ost und West haben. Später im Jahr haben wir uns dann noch einmal genauer mit dem Thema Gender-Pay-Gap befasst. Dabei betrachten wir die Unterschiede im Gehalt, einmal bereinigt und einmal ungereinigt. Bei der unbereinigten Analyse berücksichtigt man keine Unterschiede in Berufserfahrung oder anderen Qualifikationen. Wir kommen dabei auf einen ungefähren Unterschied von 18 %. Wenn man sich die bereinigten Gap anschaut, also wenn Qualifikation und Berufserfahrung gleich sind, liegt er ungefähr bei 7 %. Es ist jedoch wichtig zu sagen, dass es Unterschiede in den Branchen gibt. So liegt die bereinigtet Gap in der Beratungs- oder Pharmabranche im zweistelligen Bereich. Die einfache Erklärung hierfür ist, dass es systematische Nachteile für Frauen gibt, und darauf wollen wir ein Licht werfen. Und die Unternehmen wissen mittlerweile, dass sie da etwas tun müssen, um Leute anzuziehen. Sie müssen Fragen zur Gehaltsstruktur offen beantworten. Das ist nicht nur ein deutsches oder europäisches Phänomen, das ist ein weltweites Thema. 

Was sind denn noch weitere Schritte neben mehr Transparenz, die ein Arbeitgeber machen kann, um eben jetzt besonders im DACH-Raum attraktiv für junge Leute zu werden? 

Da gibt es viele – ich denke eines der wichtigsten ist das Thema Home-Office. Statistisch ist nachgewiesen, dass Firmen 50 % weniger Bewerbungen bekommen, wenn sie kein Home-Office anbieten. Die Leute erwarten, im Job eine gewisse Flexibilität zu haben. 

Corona hat das ganze Thema natürlich noch einmal beschleunigt. Aber andere sogenannte Benefits werden immer häufiger verlangt. Ein Beispiel, was wir selbst anbieten, ist, dass man als Arbeitnehmer auch in einem anderen europäischen Land arbeiten kann. Aber auch die Anzahl der Urlaubstage, ob es die Möglichkeit für ein Sabbatical gibt, oder wie flexibel das Arbeitspensum ist, sind vielen Arbeitnehmern wichtig. Daneben gibt es noch das Thema der Unternehmenskultur. Die guten Unternehmen haben verstanden, dass Unternehmenskultur auch auf die Profitabilität und das Umsatzwachstum zählt. Wichtige Themen hierbei sind die Werte, aber auch die Mission des Unternehmens. Hierbei verändert sich momentan viel, und die Möglichkeiten, Ansprüche zu stellen steigt auf der Arbeitnehmerseite.  

Hat die aktuelle makroökonomische Umgebung Einfluss auf die Bewertungen? Sind dort Korrelationen (z.B. während der Pandemie) sichtbar? 

Ja, ich meine Kununu gibt es mittlerweile seit fast 16 Jahren. Am Anfang wurde es gegründet, weil eine Feedbackkultur in den meisten Unternehmen praktisch nicht vorhanden war. Das heisst, es wurde schon ein bisschen verpönt als die Bashing-Plattform, auf der man sich erstmal auskotzt. Diese Einstellung hat sich aber über die Jahre gewandelt und mittlerweile liegt unser Durchschnittsscore bei 3,6 von 5. Aber ja, um auf die Frage zurückzukommen, man sieht die Wirtschaftslage in den Bewertungen. Das heisst, wenn momentan abgebaut wird, wenn Umstrukturierungen stattfinden, gibt es grösstenteils schlechtere Bewertungen für die Unternehmen. Die Unternehmen tun sich jedoch sehr schwer mit der Kritik und nehmen sie sehr persönlich, weil sie sehr sichtbar auf unserer Plattform dargestellt ist. Was mein Hinweis an der Stelle an die Unternehmen ist: Es ist ganz normal, dass es Kritik an Kündigungen oder Kürzungen gibt, aber wehrt euch nicht dagegen, sondern lasst sie stehen und beantwortet sie fair. Viele Leute sind smart genug und können zwischen einer Welle an schlechten Bewertungen differenzieren. Die grosse Sorge sollten eher grundlegend schlechte Bewertungen sein.   

Der Haupteigentümer vom Kununu ist Burda. Inwieweit ist durch diese Situation die Autonomie eingeschränkt, und was für Möglichkeiten ergeben sich aus dieser Verbindung? 

Eigentlich ist unsere Autonomie durch Burda als Haupteigentümer gar nicht eingeschränkt. Es ist gut, einen strategischen Investor zu haben, der langfristig denkt – es gibt uns eine gewisse Kontinuität. Ich erlebe ehrlich gesagt keine negativen Effekte der Zusammenarbeit. Es gibt eher positive Effekte auf die Möglichkeiten für uns, wenn wir mit einem grossen Konzern zusammenarbeiten. Wir haben selber zum Beispiel eine Kooperation mit C3, einer Kreativ-Agentur aus dem Burda-Kosmos, geschlossen, mit welcher wir Employer-Branding-Kreativleistungen am Markt anbieten können. Wir liefern ihnen Daten, mit denen sie den Unternehmen helfen, Branding Kampagnen aufzubauen. Es ergeben sich somit durchaus viele Möglichkeiten, die ein klarer Vorteil sind. 

Auf Kununu kann man ja Bewertungen gratis einsehen. Wie verdient Ihr überhaupt Geld? 

Wir verdienen unser Geld mit sogenannten Employer-Branding-Profilen. Die Grundmechaniken unseres Netzwerkes, wie ein Firmenprofil und das Schreiben von Kommentaren, sind kostenfrei. Ich glaube, dies ist wichtig, damit wir eine grundlegende Neutralität haben. Unternehmen können dann für bessere Darstellungsmöglichkeiten zahlen. Sie können mehr Texte hochladen, sie können Bilder oder ein Logo sowie Videos hochladen, um einen professionelleren Auftritt zu bekommen. Wichtig für den Arbeitnehmer ist hierbei, dass dies weder die Bewertungen, noch die Rankings beeinflusst. 

Wer sind Ihre grössten Wettbewerber und inwiefern unterscheiden Sie sich von ihnen?  

Weltweit ist Glassdoor unser grösster Wettbewerber. Man muss aber ehrlich sagen, dass sie im deutschsprachigen Raum kaum zu finden sind. Glassdoor ist relevant für globale Player, für Leute, die vom einen Land in ein anderes wechseln wollen. Wir freuen uns, dass es im deutschsprachigen Raum für uns keine wirklichen Konkurrenten gibt. 

Haben Sie denn Ambitionen, aus dem deutschsprachigen Raum in andere Länder zu expandieren? Es gab ja schon Versuche, in den USA Fuss zu fassen. Ist für die Zukunft noch etwas geplant? 

Als ich zu Kununu gekommen bin, haben sie die USA-Thematik gerade abgewickelt. Es wäre sicherlich eine spannende Case Study, zu überlegen, wieso die Expansion gescheitert ist und was man anders hätte machen können. Deswegen haben wir erstmal überhaupt keine anderen Expansionspläne. Wir sehen ganz klare Wachstumsmöglichkeiten im deutschsprachigen Raum – so ist es unser Ziel, unsere Marke immer stärker aufzubauen, damit Leute das Bewerten von Unternehmen direkt mit Kununu verbinden. Wir möchten eine starke Brand aufbauen, bei der jeder in Deutschland, bevor er den Arbeitgeber wechselt, einen Blick auf unsere Website wirft. Und da darf man sich nicht ablenken lassen. Deswegen ist Internationalisierung momentan überhaupt nicht die richtige Strategie. 

Was würden Sie uns Studierenden gerne mit auf den Weg geben? 

Ich glaube, da habe ich ein paar Dinge. Man denkt immer, Strategie ist so ein grosses Wort. Lasst euch nicht abschrecken von dem Begriff. Es ist leicht, eine Strategie aufzubauen und im Prozess nur noch wichtig, sie konstant anzupassen. Werft einen Blick über das hinaus, was Ihr in der Uni lernt, und taucht in die Praxis ein.  

Eine letzte kleine Frage: Welches Ranking würden Sie Ihrem Job momentan geben? 

Ich bin schon lange beruflich unterwegs und es gibt immer Luft nach oben, aber ich habe momentan unfassbar viel Spass. Es macht Spass, in und an einem Unternehmen zu arbeiten, welches so ein grosses Wachstumspotenzial besitzt. Ich würde meinem Job eine 4,6 geben.  

Previous articleLandkrieg in Europa: Ein Gespräch mit dem CEO von Europas grösstem Panzerhersteller KNDS über den Ukrainekrieg und die deutsche Aufrüstung
Next articleÜber die kulturelle Verwurzelung von Essen – wie Planted fleischlose Ernährung revolutioniert
Nina Zimmermann , 48, ist seit Juni 2021 Chefin des Portals Kununu, einer Plattform, auf der Beschäftigte ihre Arbeitgeber bewerten können. Zuvor war die gebürtige Britin bei Burda, wo sie unter anderem für Bunte.de zuständig war. Zu ihren weiteren Stationen gehören T-Online, Bertelsmann und der Internet-Marktplatz ricardo.de.