Herr Kudlich, wie würden Sie das Geschäftsmodell von Rocket Internet erklären? Warum ist dieses einmalig?
Alexander Kudlich: VW oder Toyota bauen Autos, wir bauen Internetfirmen. Wir sind insofern einmalig, als dass wir den Aufbau von neuen Unternehmen industrialisieren. Die übergreifende Ansatz für jedes unserer Unternehmen ist gleich: wir identifizieren bereits bewährte Geschäftsmodelle, rollen diese in verschiedenen Märkten auf der ganzen Welt aus und skalieren sie mit dem klaren Ziel, Marktführer zu werden.
Die Rocket-Plattform erlaubt es uns das sehr prozessorientiert, schneller und risikoärmer zu machen als ein unabhängiger Gründer das könnte. Wir konzentrieren uns auf vier Verticals (Retail, Fintech, Marketplaces und Travel) und sind auf fünf Kontinenten in 100 Ländern aktiv, mit mehr als 25.000 Leuten.
Nach welchen Kriterien werden die Ideen für ein neues Unternehmen ausgewählt? Worauf kommt es an?
Wir identifizieren und bewerten neue Geschäftsmodelle in einem sehr standardisierten Prozess und profitieren stark von unserem globalen Netzwerk. Obwohl sich unser Research Team kontinuierlich mit neuen Geschäftsideen beschäftigt, können wir aufgrund unseres globalen Netzwerks an Entrepreneuren sicher sein, alle guten Modelle auf dem Radar zu haben.
Die Schlüsselfragen für jede neue Business Entscheidung sind grob: Ist es ein bewährtes Geschäftsmodell?, Ist jetzt schon – oder immer noch – der richtige Zeitpunkt für dieses Modell? Ist es ein Geschäftsmodell, bei dem Rocket seine Stärken ausspielen kann?
Durch diesen Filter gehen jedes Jahr sehr viele Modelle, wovon wir jedes Jahr einige wenige umsetzen. Für diese verbleibenden Modelle rechnen wir einen detaillierten Business Case, der den Investitionsbedarf sowie alle wesentlichen Treiber, Unit Economics etc, beinhaltet. Erweist sich das Geschäftsmodell weiterhin als attraktiv für Rocket, identifizieren wir Regionen, Länder und Städte in denen das Modell ausgerollt werden kann. In einem letzten Schritt fällt das Investment Komitee die finale Entscheidung und am selben Tag legen wir los. Das alles geht bei uns sehr schnell.
Haben Sie sich auf die Umsetzung einer neuen Geschäftsidee geeinigt, was sind die nächsten Schritte?
Die Grundlage für den Erfolg unserer Unternehmen legen wir in den ersten 200 Tagen. 100 Tage von der Idee zum Launch. Und 100 Tage vom Launch zur operativen Unabhängigkeit des neuen Ventures. In dieser Zeit wird das Team zusammengestellt, das Produkt gebaut und operative Prozesse etabliert. Um länderspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, wird jedes Gründerteam von unseren regionalen Groups in Lateinamerika, Afrika, Asien sowie Nahen Osten unterstützt. Unser Ziel ist es, dass Rocket-Unternehmen mit Ablauf dieser Zeit operativ unabhängig sind und auf eigenen Beinen stehen. Doch auch danach wird jedes Unternehmen eng von Rocket und seinen 450 funktionalen Experten begleitet.
Auf ihrer Website unterscheiden Sie Ihre Portfolio-Unternehmen in „Emerging Stars“ und „Proven Winners“. Wie ist diese Abgrenzung zuverstehen?
In erster Linie geht es bei dieser Unterscheidung darum aufzuzeigen, in welcher Entwicklungsphase sich unsere Unternehmen befinden. Die Abgrenzung in „Concepts“, „Emerging Stars“ und „Proven Winners“ nehmen wir auf Basis von drei Kriterien vor: Höhe der letzten Finanzierungsrunde, Wachstum und Umsatz. Diese Information macht es in erster Linie für Investoren und Analysten einfacher, die Kennzahlen unserer Unternehmen einordnen und besser bewerten zu können.
Wie kann sichergestellt werden, dass sich die Rocket Internet Unternehmen am Markt durchsetzen und Imitationen des Geschäftsmodells erschwert werden?
Rocket hat die Möglichkeit, Geschäftsmodelle umzusetzen, die eine komplexe Technologie, aufwendige Prozesse und schnelle Internationalisierung erfordern. Dabei sind wir in der Lage, die Hauptrisiken beim Aufbau von Firmen besser zu beherrschen als andere. Im Kern kommt es auf vier Dinge an: Geschäftsmodell, Team, Zugang zu Kapital und „Execution“. Mit dem falschen Geschäftsmodell läuft man trotz tollem Team und guter Execution in die falsche Richtung. Wenn einem das Team auseinanderfällt ist es trotz gutem Modell und genug Finanzierung schwierig zu gewinnen. Immer wieder gibt es Firmen mit gutem Team und guter Execution, die keinen Zugang zu Kapital finden usw.
Ich würde behaupten, dass wir auf alle vier Bereiche mehr Fokus legen als der Durchschnitt im Markt. Das muss aber natürlich für jede neue Firma von neuem gelten. Jede einzelne muss sich von neuem auf dem Markt beherrschen.
Rocket Internet unterhält ein weit verzweigtes Netz aus direkten und indirekten Beteiligungen weltweit. Was sind die Herausforderungen, die sicher hieraus ergeben und wie geht man damit um?
Wichtig sind hierfür zwei Sachen. Einerseits die richtige Organisationsform, andererseits stark datengetriebene Entscheidungen.
Wir blicken nicht nur von oben nach unten auf die Beteiligungen, sondern sehr stark quer durch alle Funktionen. Die Tatsache, dass wir die Firmen aufgrund einer sehr guten und tagesaktuellen Datenbasis entlang aller wichtigen funktionalen KPIs (also in Online Marketing, Operations, Tech usw.) benchmarken können, erleichtert vieles.
Der Schwerpunkt der Rocket Internet Aktivitäten liegt in den Emerging Markets, welche oft stark schwankenden Wechselkursen gegenüberstehen. Wie geht man damit um?
Natürlich sind Emerging Markets einerseits so spannend, weil ein grösserer Teil des Wachstums noch vor einem liegt. Anderererseits sind sie natürlich weniger einfach und ungemütlicher. Wir reden intern oft von dem Gesetz der Komplexität. Je komplexer ein Markt, desto weniger Wettbewerb, desto höher der Marktanteil und langfristig die Margen in dem Markt. Das kann man in anderen Branchen die schon weiter sind wie zB Mobilfunk auch beobachten.
Menschen bezeichnen Sie oft als das wichtigste Kapitel von Rocket Internet. Wie stellen Sie sicher, dass sich auch die besten Leute für Rocket Internet entscheiden?
Ich wüsste keinen anderen Ort, an dem man in kürzerer Zeit mehr lernen kann, mehr Verantwortung übernehmen kann, mehr Spass hat und gleichzeitig die ganze Welt kennenlernen kann. Unser GVD (Global Venture Development) Programm für Absolventen z.B. erlaubt es, Internet und Entrepreneurship zu lernen und gleichzeitig die ganze Welt kennenzulernen: 3 Monate Sydney, dann 3 Monate in Mexico, dann 3 Monate in Berlin und dann 3 Monate in Jakarta. Das hätte ich als Absolvent sofort gemacht. Sowas gab es aber leider damals noch nicht.
Die meisten unserer Leser stehen kurz vor dem Berufseinstieg. Welchen Tipp würden Sie Ihnen mit auf den Weg geben?
Je länger man wartet, desto unwahrscheinlicher wird es, den Schritt in Richtung Unternehmertum zu machen. Also los!
Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
Das Interview wurde geführt von Fabian Baldauf.