Sie haben seit 1969 dem Unternehmen Trigema nicht nur zu nachhaltigem Erfolg verholfen, sondern dieses auch geprägt. Gibt es trotzdem noch Herausforderungen, denen sie tagtäglich begegnen und wenn ja welche?
Herausforderungen gibt es konstant. Meine Aufgabe ist es nicht, die einzelnen Maschinen zu bedienen, sondern den Zusammenhang aller Abteilungen zu koordinieren. Damit geht in erster Linie einher, den Wandel der Zeit rechtzeitig zu erkennen und das Unternehmen diesem anzupassen. Beispielsweise haben wir vor 40 Jahren Versandhausketten beliefert, bis deren Schwäche dazu führte, dass sie die Preise heruntersetzten. Diesem Preisdruck konnte und wollte ich nicht nachgeben, da dies natürlich auch die Auslagerung von Arbeitsplätzen impliziert hätte. Stattdessen war ich gezwungen, einen neuen Kundenkreis zu finden. Dies setzte sich immer weiter fort: auf die Selbstbedienungs-Warenhäuser folgten die Discounter und als diese schliesslich ebenso vor weiteren Preisreduktionen nicht mehr zurückschreckten, durfte ich die Notwendigkeit von eigenen, unabhängig von Grosskunden gestellten Geschäften erkennen. Analog könnte man auch das Internet und das immense Potential eines damit verbundenen Online-Vertriebs als zu erkennenden Wandel aufführen. Meine Herausforderung besteht dementsprechend darin, frühzeitig das Unternehmen an solche veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und dasrechtzeitig!
Sie betonen vielfach die notwendige Verantwortung, die ein Manager für ein Unternehmen tragen muss. Warum ist dies so wichtig? Was gibt es für Negativbeispiele, wenn Manager sich der Verantwortung entziehen?
Schauen Sie sich die Entwicklung der verschiedenen Gesellschaftsformen von Unternehmen im Laufe der Geschichte an. Das Wirtschaftswunder wurde von diversen persönlich haftenden Unternehmern geschaffen. Begingen die Verantwortlichen einen Fehler, würden sie persönlich in der Haftung stehen. Demzufolge wurde jede Entscheidung sorgfältig geprüft, anstatt einem möglichen Grössenwahn nachzugeben. Mittlerweile hat sich dies stark verändert. Die Haftung ist weg und damit auch die verantwortliche Geschäftsführung. Dies ist für mich indiskutabel! Verantwortung heisst, Risiko selbst zu tragen. Die Beispiele sind zahlreich. Selbst die angeblich persönlich haftende Firma Schlecker hat sich noch aus der Affäre ziehen können. Wenn die Familie zum Schluss dem Insolvenzverwalter in einem Deal noch 10 Millionen Euro zahlen kann, dann sollte man nachfragen, ob sie die 10 Millionen im Lotto gewonnen haben oder ob sie diese vorher aus der Firma rausgezogen haben. So ist es mit allen Insolvenzen. Ich habe noch nie einen Unternehmer gesehen, der Insolvenz gemacht hat und anschliessend Hartz IV beziehen musste. Die sind alle zurück in ihren Villen, aber die ehemals beschäftigten Mitarbeiter fallen in die Arbeitslosigkeit.
Trigema wirbt dagegen vor allem mit sozialem und ökologischem Engagement. Was sind Beispiele hierfür?
Ich möchte mich mit Trigema nicht ins Rampenlicht stellen, aber der angesprochene Wandel der Zeit erfordert auch unsere heutige Ressourcenknappheit zu erkennen. Das wurde bereits in den 70er Jahren offensichtlich und trotzdem hat sich nicht viel verändert. Wir können nicht sagen „Nach mir die Sintflut!“. Ich bin verpflichtet, auch den nachkommenden Generationen etwas weitergeben zu können. Die Nachhaltigkeit muss in den Vordergrund gerückt werden, dass was wir zum Beispiel bei textilen Produkten mit Credit to Credit gemacht haben.
Gleichzeitig garantieren Sie 1200 Arbeitsplätze und damit auch den Kindern der derzeitigen Arbeitnehmer. Wie funktioniert dies? Gerade während Rezessionen und Finanzkrisen?
Das ist für mich sowohl eine Pflicht als auch eine Selbstverständlichkeit, weil ich Mitarbeitern, die 20 Jahre bei mir sind nicht plötzlich sagen kann, dass ich sie entlassen muss, um weiter Geld zu verdienen. Das wäre menschlich für mich nicht haltbar. Man kann dies auch auf die Familie übertragen: In schwierigen Zeiten kann ich dort auch nicht sagen, ich esse mich satt und wenn etwas übrig bleibt, bekommen das meine Frau und meine Kinder. Es ist notwendig, zu teilen. In schwierigen Zeiten bin ich ebenso meinen Mitarbeitern verpflichtet, rechtzeitig Sorge zu tragen. Dazu gehört auch, in guten Zeiten keine unnötigen Kapazitäten aufzubauen, die in normaler Lage nicht mehr bedient werden können. Es ist alles machbar, wenn entsprechend vorrausschauend und ein bisschen fürsorglich vorgegangen und der Betrieb verantwortlich geführt wird. So sind selbst Krisen zu bewältigen.
Trigema ist 100% „Made in Germany“: Wie kann der Unternehmensstandort in Deutschland erhalten werden, wo doch ein Grossteil der bekannten deutschen Firmen sich dem Standortwettbewerb beugen und das billigere Ausland in die Wertschöpfungskette integrieren?
Ich kenne keinen ursprünglich in Deutschland ansässigen Textilunternehmer, der durch Auslagerung von Arbeitsplätzen reicher geworden ist. Natürlich produziert man im Ausland billiger, aber dort gibt es andere Probleme. Wenn ich entsprechend unserem Standort angepasste Produktefertige, können unsere Probleme hier dagegen gemeistert werden. Ich kann aber nicht einem Discounter nachlaufen und für ihn die Billigware produzieren. Meine Aufgabe ist es, innovative Produkte zu produzieren, die auch den Lohn in Deutschland rechtfertigen. Das meint die Herstellung hochwertiger Produkte, innovativer Produkte und nicht Massenprodukte. Denn das machen bereits meine Kollegen in Indien, Bangladesch oder China. Die Produkte müssen dem Standard des Landes angepasst sein. Wenn ich die letzten 48 Jahre betrachte, dann habe ich vor 30 Jahren noch 5000 weisse T-Shirts geliefert. Diesen Auftrag bekomme ich heute nicht mehr und will dies auch gar nicht. Ich müsste den halben Preis verlangen. Es ist natürlich möglich, dass ein Einkäufer 5000 T-Shirts bei uns in einem Jahr kauft, aber dann ist dieser Auftrag gestaffelt. Heute verlangt er 50 Lieferungen und morgen 87. Just-in- time liefern, was gebraucht wird, das ist unsere Aufgabe und nicht einen Massenauftrag anzunehmen, der dann entsprechend nur über den Preis zu realisieren ist.
Sie betonen oft, dass Wachstum nicht das Mass aller Dinge sei. Im gegenwärtigen Wirtschaftsumfeld können wir allerdings eine gegenteilige Entwicklung beobachten. Wie sieht die Antwort von Trigema auf so ein kompetitives Umfeld aus?
Generell verstehe ich Wachstum anders. Wachstum heisst in der Regel, dass aus einem Umsatz von 100 morgen 110 realisiert werden müssen, also quantitatives Wachstum. Ich sehe das Wachstum nicht in der Quantität, sondern in der Qualität. Seit 1999 haben wir die Produktion nicht mehr erweitert, weil ich gesagt habe, der Bedarf in Europa ist gedeckt in meiner Branche. Ich kann nicht ewig immer mehr produzieren. Dies könnte ich ansonsten nur über den Preis verkaufen, was wiederum in einem Hochlohnland, wie Deutschland, tödlich wäre. Ich sehe Wachstum in der Innovation. Wir fahren die Produktion einfacher Produkte zurück. Dafür müssen wir innovative Produkte oben angliedern. Das können funktionale T-Shirts sein, eine modische Farbe oder speziell an den Kunden angepasste Eigenschaften.
Die von Ihnen gelebte unternehmerische Verantwortung ist natürlich auch werbewirksam. Sie schlagen einen anderen Weg ein als andere Manager und rücken Ihre persönliche Verantwortung in den Vordergrund. So wurden auch Wechsel in der rechtlichen Form des Unternehmens zwischen GmbH und unbeschränkter Haftung vorgenommen. Brauchen die Menschen in unserer heutigen diffusen Gesellschaft mehr Vertrauen, Persönlichkeit und Nachhaltigkeit? Oder geht es auch ohne?
Ohne wird es nicht gehen. Das Problem liegt nicht an den Managern, sondern das Problem liegt an den Eigentümern, Unternehmern und Familienunternehmern. Wenn ich mein Unternehmen morgen an einen amerikanischen Konzern verkaufe, dann habe ich verantwortet, dass meine bisher gelebten Werte keine Rolle mehr spielen. Der Inhaber in Amerika ist am Profit interessiert, die Beschäftigung der deutschen Arbeitnehmer wird irrelevant. Wir brauchen kleinere Einheiten, die persönlich von Familienunternehmern oder Inhabern geführt werden. Diese müssen erhalten werden und nicht durch nach Grösse und immer höheren Gewinnen strebendende DAX-Konzerne ersetzt werden.Dann wird es zum Spiel und das wäre fatal.
Gerade auf dem Bekleidungsmarkt boomt der E-Commerce. Kann Trigema seinen Online-Shop erfolgreich nutzen? Welche Rolle nimmt dieser ein und wie wird sich dies möglicherweise in Zukunft entwickeln?
Der Onlineshop hat das stärkste Wachstum. Letztes Jahr konnten wir eine Steigerung von 15-20 Prozent verzeichnen. Wir haben 10 Millionen, also gut 10% unseres Gesamtumsatzes, online erwirtschaftet. Diese Entwicklung ist sehr positiv und räumt uns weiterhin Autarkie ein.
Wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens? Zunächst noch in ihrer Ära und dann darüber hinaus? Ihre Kinder werden Ihre Nachfolge antreten. Wird es schwierig angesichts dessen, dass die Firma sehr stark an Sie als Persönlichkeit gebunden ist?
Jedes Unternehmen ist vom Kopf abhängig – genauso wie jede Regierung. Wenn der Kopf in Ordnung ist, wird die Regierung wiedergewählt. Meine Kinder werden das sicherlich problemlos übernehmen. Sie sind bereits seit gut 2 Jahren im Unternehmen und wir haben einige Entscheidungen gemeinsam getroffen. Ich habe vollkommenes Vertrauen, dass sie Trigema positiv nach vorne bringen werden.
An der Universität St. Gallen wie an weiteren führenden Universitäten Europas werden die Führungskräfte von Morgen ausgebildet, „Management“ erlernen steht auf dem Programm: Was würden Sie diesen Menschen auf ihren Weg mitgeben?
Da würde ich mich nicht als den richtigen Ansprechpartner bezeichnen. Wenn ich von meiner Familie absehe, haben wir nicht die klassischen Akademiker im Unternehmen. Alle führenden Positionen sind bei uns von ehemaligen Lehrlingen besetzt, die auch von uns ausgebildet wurden. Diese haben 10 bis 20 Jahre Berufserfahrung. Ich persönlich bevorzuge diese gegenüber einem frischen Universitätsabgänger, der meint, meinen Laden nun durcheinander bringen zu müssen. Wir brauchen die Ausbildung lediglich, damit das Denken und das Erkennen von Problemen schneller vollzogen wird. Ich bleibe auf dem Boden und betone klar meine Meinung. Wir müssen vorwärts kommen und deshalb löse ich die Probleme und diskutiere sie nicht ewig. Dazu müssen die Probleme, die ganz klein auf uns zukommen, sofort erledigt werden. Dann entstehen gar keine grossen Probleme, die Akademiker mit irgendwelchen Seminaren meinen, erkennen zu müssen.