Die Liste der Familienunternehmen, die bei der Digitalisierung vorne mit dabei sind, ist lang. Darunter sind viele bekannte Marken. Sixt, Otto, Kärcher, Viessmann, Oetker, Conrad Electronics, Stihl und viele andere sind schon lange auf einen digitalen Pfad eingeschwenkt. Aber auch weniger bekannte Hidden Champions wie Kaeser Kompressoren oder Winterhalter gestalten aktiv den digitalen Umbau ihres Geschäftsmodells.

Viele Familienunternehmen sehen in neuen Technologien in erster Linie einen Innovationshebel. Auf Basis eines soliden Geschäftsmodells mit einer hohen Wertschöpfungstiefe wenden sie neue Technologien nicht nur an, sondern entwickeln auch eigene Lösungen. Während der Ansatz im Silicon Valley oft disruptiv ist, verfolgen Familienunternehmen meist einen schrittweisen, stabilen Fortschritt. Sie konzentrieren sich auf Marktnischen, in denen sie sich im Gegensatz zu vielen Start-Ups eine marktführende Stellung bewiesen haben.

Für diese Strategie stehen mehrere namhafte Familienunternehmen Pate: Etwa der Europapark Rust, der im Bereich Virtual Reality ganz neue Erlebniswelten für die Besucher schafft. Der Autovermieter Sixt entwickelt einfache und flexible Modelle für Carsharing und Autovermietung. Der traditionsreiche Heizungs- und Kühlungsspezialist Viessmann wiederum betreibt u.a. mit einem Co-Creating Space in Berlin ein kollaboratives Ökosystem, das Innovationen im Mittelstand unterstützt.

Was sich bei allen Fallbeispielen auch zeigt: Die Digitalisierung ist bei Familienunternehmen stark mit der Next Gen verknüpft. Die junge Generation steht entweder in den Startlöchern oder hat das Ruder bereits übernommen. Mit ihrer exzellenten Ausbildung und der Affinität fürs Digitale bringt sie die besten Voraussetzungen mit, um die Transformation voranzutreiben. Aus unserer Studienreihe „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ wissen wir, dass die NextGen von Familienunternehmen gerade in der Digitalisierung Chancen für die Zukunft des Familienunternehmens sieht. Kein anderes Ziel ist so sehr im unternehmerischen Bewusstsein der Jungen verankert.

Ein wichtiger Hebel ist die Zusammenarbeit mit Start-ups. Dabei geht es in erster Linie darum, digitale Lösungen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Von Vorteil ist, dass viele junge Gesellschafter beziehungsweise Absolventen selbst schon Start-ups gegründet haben oder diese Option in Betracht ziehen. Fast jeder Zweite der Befragten in unserer Studie hält es für wahrscheinlich, bis zum 40. Lebensjahr ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Die NextGen fungiert also als richtungsweisender Impulsgeber. Gleichzeitig profitiert sie davon, dass Familienunternehmen traditionell starke und schnelle Umsetzer sind. So müssen sich Entscheider im Gegensatz zu anonymen Börsenkonzernen nicht mit zahlreichen Gremien abstimmen, wenn es darum geht, Chancen zu nutzen. Auch die Mitarbeiter genießen Freiraum. In Familienunternehmen werden armdicke Handbücher und ausufernde Stellenbeschreibungen, wo immer es geht vermieden. Dadurch können sie traditionell schnell auf neue Situationen reagieren. Das hat sich auch schon in der Corona-Krise gezeigt. Viele Unternehmen stellen in kürzester Zeit die Produktion um, etwa für Schutzmasken oder Desinfektionsmittel.

Damit die digitale Transformation gelingt, braucht es neben der unternehmerischen Flexibilität auch adäquate Bedingungen. Eine repräsentative Umfrage unserer Stiftung während der Corona-Krise spricht eine deutliche Sprache: Der Ausbau der Breitbandverbindungen sollte aus Sicht der Unternehmen von der Politik priorisiert werden. Unsere Forschung zeigt zudem, dass Deutschland, aber auch die Schweiz, bei weiteren Faktoren an Standortattraktivität eingebüßt haben. In der Schweiz gibt es Handlungsbedarf im Bereich der hohen Arbeits- sowie bei den Energiekosten. In Deutschland kommen weitere Defizite im Bereich der Steuern sowie der Infrastruktur hinzu.

Insgesamt blicken Familienunternehmen bei der Digitalisierung optimistisch in die Zukunft. Sie setzen auf bewährte Tugenden einerseits und auf die junge, gute ausgebildete Generation andererseits. Damit sind sie auf dem besten Weg, auch bei der digitalen Transformation ihre prägende Rolle für die Volkswirtschaft zu unterstreichen.

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Stefan Heidbreder, Jahrgang 1967, war nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in leitender bzw. beratender Funktion für führende Familienunternehmen tätig. Seit 2005 ist er Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen. Darüber hinaus engagiert sich Stefan Heidberger für die Familienunternehmen in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien. Er hat verschiedene Lehraufträge, u. a. an der Technischen Universität München und an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Herr Heidberger ist verheiratet und hat zwei Kinder.