In der Öffentlichkeit seid Ihr immer sehr formell gekleidet. Tragt Ihr in Eurer Freizeit Bekleidung von Trigema?
Bonita: Natürlich tragen wir auch in unserer Freizeit Trigema. Heute zum Interview trage ich zum Beispiel auch Trigema. Bei Trigema stellen wir Rundstrickstoffe her. Rundstrickstoffe sind eher elastische Stoffe. Insofern eignen sich diese im Gegensatz zu Webwaren eher weniger für formelle Bekleidung. In meiner Freizeit trage ich aber dafür umso mehr Bekleidung von unserem Unternehmen.
In absehbarer Zeit werdet Ihr die Leitung von Trigema von Eurem Vater übertragen bekommen. Bisher arbeitet Ihr noch für bzw. mit Eurem Vater. Was ist zum aktuellen Zeitpunkt Eure jeweilige Rolle im Unternehmen?
Wolfgang: Ich bin 2014 in die Firma in die Einkaufsabteilung eingetreten. Später habe ich dann in die Verkaufsabteilung gewechselt. Unsere Verkaufsabteilung unterteilt sich grundsätzlich in drei Sparten: den Corporate Verkauf, E-Commerce und den Verkauf über unsere Testgeschäfte. Aktuell bin ich stark in den Verkauf an Unternehmenskunden eingebunden. Zusätzlich bin ich in die Durchführung von internen IT-Projekten eingebunden. In unserem Unternehmen arbeiten rund 50 Personen in der Verwaltung. Insofern arbeite ich je nach Bedarf auch an verschiedenartigen anderen Aufgaben, die in der Verwaltung von Trigema anfallen.
Bonita: Ich bin damals ein Jahr vor meinem Bruder in das Unternehmen eingestiegen. Damals half ich, den neuen Online-Shop im Bereich E-Commerce aufzubauen. Für diesen Bereich bin ich heute neben den Bereichen HR und Marketing verantwortlich.
Ihr hattet bereits Eure Saleskanäle angesprochen. Über welchen Kanal setzt Ihr gegenwärtig am meisten ab?
Wolfgang: Unser Onlineshop macht mittlerweile ca. – 40% unserer Verkäufe aus. Hierin eingeschlossen sind auch unsere Verkäufe über Amazon und OTTO. Den Rest setzten wir auf klassischem Wege, entweder an unsere B2B-Kunden oder eben über unsere Testgeschäfte ab, die über ganz Deutschland verteilt sind.
Ihr habt beide in Grossbritannien studiert. Eure Schulzeit habt Ihr ebenfalls im Ausland verbracht. Das Städtchen Burladingen mit rund 12.000 Einwohnern, in welchem Trigema seinen Hauptsitz hat, liegt im Südwesten Deutschlands auf der Schwäbischen Alb. Wie lebt es sich hier als junger Mensch, wenn die Freunde aus Schul- und Unizeiten heute in grösseren Städten wie München oder London leben?
Bonita: Wolfgang und ich sind in Burladingen und nicht in einer Grossstadt aufgewachsen. Wir kennen Burladingen also sehr gut. Folglich finden wir uns hier schon zurecht. Unter der Woche befinden wir uns in Burladingen. Wir wohnen in unmittelbarer Nähe zum Unternehmen und sind nicht durch äußere Einflüsse abgelenkt. Am Wochenende bin ich dann oft verreist. Oft bin ich in München. Diesen Ausgleich, den die Stadt dann bietet, brauche ich nach fünf Jahren London dann zugegebenermassen auch wieder.
Im Gegensatz zu Metropolen wie London oder München, kann der ländliche Raum aber auch seine Vorzüge haben. Was schätzt Ihr besonders an Burladingen?
Wolfgang: Wie eben schon gesagt. Wir sind recht international aufgewachsen und sind an Wochenenden häufig unterwegs. Für mich ist das Leben unter der Woche hier ein wenig wie das eines Unternehmensberaters. Unter der Woche setzen wir uns unter vollem Einsatz für unsere Aufgaben im Unternehmen ein. Am Wochenende erholen wir uns dann beispielsweise in München. Aber um Eure Frage zu beantworten: auch der ländliche Raum wie hier in Burladingen hat etwas zu bieten. Hier kann man wunderbar Ausdauersport betreiben. Die weitläufige und schöne Natur rund um Burladingen lädt zum Joggen, Wandern und Radfahren ein. Wir haben im Ort sogar einen grossen Bikepark. Zudem sind Städte wie Balingen, Reutlingen oder Tübingen nicht weit. Ich lade jeden dazu ein, einmal eine Woche von Burladingen aus zu arbeiten. Dann wird man feststellen: So schlimm ist es hier gar nicht. Im Gegenteil.
Aber gejagt wird nicht hier in Burladingen?
Wolfgang: Nein. Mein Vater hat eine Eigenjagd im Allgäu. Das ist von hier etwa 135 Kilometer entfernt. Wenn wir jagen, dann gehen wir dorthin.
Während dem Studium habt Ihr beide verschiedenste Praktika gemacht. Dann seid Ihr aber recht schnell in die Firma eingestiegen. War es für Euch nie eine Option, erst einmal für längere Zeit Erfahrung bei einem anderen Unternehmen zu sammeln?
Bonita: Unseren Eltern war es immer wichtig, dass wir die Möglichkeit haben, einige Jahre mit unserem Vater zusammenarbeiten zu können. Da unser Vater etwas älter ist, als dies normalerweise der Fall ist, haben wir für uns gesagt, dass wir recht schnell nach unserem Studium in die Firma eintreten wollen. Das haben wir dann auch so gemacht. Diese Entscheidung bereuen wir nicht.
Ihr hattet bereits gesagt, dass Euer Vater schon etwas älter ist. Genau genommen ist er 81 Jahre alt und hat bereits angekündigt, die Leitung der Firma zum Jahreswechsel an Euch abgeben zu wollen. Gleichzeitig hat er aber immer betont, die Firma nur an ein Kind abgeben zu wollen. Wie wird sich die anstehende Firmenübergabe jetzt genau gestalten?
Wolfgang: Aufgrund der Hürden im deutschen Erbschaftssteuerrecht wird die Firma auf unsere Mutter, meine Schwester und mich übertragen. Zum 1. Januar 2024 werde ich persönlich haftender Gesellschafter sowie Geschäftsführer des Herstellers von Sport- und Freizeitbekleidung und Bonita Mitglied der Geschäftsführung unseres Familienunternehmens. Bonita und ich bleiben somit gleichberechtigte Partner. Unsere Mutter bleibt als Gesellschafterin weiterhin im Unternehmen tätig und wird kein Teil der Geschäftsführung sein.
Das bedeutet ja, dass Trigema zu einer Kommanditgesellschaft wird. Trigema hat bisher unter Trigema Inh. W. Grupp e.K. firmiert. Damit würden manche Gesellschafter, namentlich eure Mutter, nicht mehr unbeschränkt für das Unternehmen haften, obwohl das ja eigentlich Teil des Stolzes ist, der mit Trigema verbunden wird und Trigema auch so besonders macht.
Wolfgang: Wir werden im Zuge der Geschäftsübergabe als Trigema W. Grupp KG firmieren. Die Haftung werden wir somit weiterhin übernehmen und damit persönlich und unbeschränkt haften.
Das bedeutet, Ihr teilt in diesem Fall die Auffassung Eures Vaters, dass es richtig ist, als Unternehmer auch mit seinem Privatvermögen zu haften?
Wolfgang: Genau. Diese Haltung haben wir schon von klein auf kennengelernt. Unabhängig davon glauben wir aber auch fest daran, dass eine solche Haltung eines Unternehmers die richtige Haltung ist. Dennoch müssen wir feststellen, dass diese Haltung unter den gegenwärtigen makroökonomischen und politischen Umständen auch eine sehr risikoreiche Haltung darstellt. Fachkräftemangel, hohe Energiepreise und eine vergleichsweise hohe Steuerbelastung machen uns unser Handeln nicht gerade leicht. Unser Vater hat immer dafür plädiert, dass das höhere Haftungsrisiko, was man mit einer e.K. eingeht, auch entsprechend entlohnt werden muss. Überproportionale Haftung sollte mit überproportionaler Entlohnung einhergehen. Das ist aktuell nicht zu beobachten. Entsprechend haben wir aber auch die Zukunft im Blick und sollte sich in dieser Hinsicht nichts ändern, könnten wir zukünftig auch gezwungen sein, eine haftungsbeschränkte Rechtsform zu wählen. Konkret planen wir dies aber nicht.
Ein weiterer Markenkern von Trigema stellt die ausschliessliche Produktion in Deutschland dar. Könntet Ihr Euch auch vorstellen zukünftig auch im Ausland zu produzieren, sollten die politischen Rahmenbedingungen es nicht mehr zulassen, nur noch in Deutschland zu produzieren?
Wolfgang: Ganz klar nein! Die Marke Trigema lässt sich mit einer Produktion im Ausland nicht vereinbaren. Würden wir jetzt beispielsweise in Portugal produzieren lassen, dann müssten wir unsere Erzeugnisse ganz anders vermarkten. Wir müssten Trigema dann viel stärker in Richtung einer Fashion Brand ausrichten, sodass uns die Kunden ausschliesslich aufgrund des Produkts kaufen und nicht mehr wegen den Werten. Das wertegeleitete Kaufverhalten unserer Kunden würden wir damit nämlich gänzlich zerstören. Qualitativ wäre die Ware aus Portugal oder beispielsweise der Türkei mit Sicherheit gar nicht schlechter als die Ware, die in Burladingen produziert wird. In ausländischen Fabriken werden teilweise höchste Qualitätsstandards eingehalten. Das Hauptproblem an dieser Strategie wäre aber wie gesagt, dass wir hierdurch den USP, ausschließlich in Deutschland zu produzieren, verlieren würden. Das könnten wir nicht verantworten. Durch die regionale Produktion in Baden-Württemberg haben wir auch einen geringeren CO2 Ausstoß.
Durch die Kooperation mit LFDY habt Ihr es geschafft, die Marke Trigema wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. War die Kooperation mit einem gehypten Modelabel ein Erfolg und sind derartige Kooperationen vielleicht eine neue Strategie, die ihr in Zukunft häufiger verfolgen wollt?
Bonita: Die Kooperation mit LFDY war die erste dieser Art, die wir je gemacht haben. Rückblickend war sie definitiv ein Erfolg. Auf den ersten Blick betrachtet sind Trigema und LFDY grundverschieden. Wir sind ein sehr traditionelles Unternehmen und LFDY legt seinen Fokus auf das junge Publikum im Bereich Streetwear. Da die Werte von unseren beiden Firmen übereinstimmten und die Kommunikation und Planung gut funktionierte, hat es letztendlich sehr gut gepasst und wir konnten den Kontrast zwischen unseren Firmen positiv hervorheben. Wir konnten dadurch verstärkt an jüngere Zielgruppen herantreten und unsere Reichweite vergrössern.
Wolfgang: Grundsätzlich sind wir gegenüber Capsule-Collections nicht abgeneigt. Wir würden auch häufiger mit anderen Marken kooperieren, wenn wir den richtigen Partner finden würden. Es ist jedoch eine grosse Herausforderung, jemanden mit den gleichen Werten und derselben Motivation zu finden und daher ist aktuell nichts Weiteres in Planung. Grundsätzlich sind wir offen und aufgeschlossen gegenüber weiteren derartigen Projekten und schauen, was auf uns zukommt.
Was ist abgesehen von Kooperationen mit anderen Marken und Labels Eure Strategie, um jüngere Menschen zu erreichen?
Bonita: Wir werden auf jeden Fall unsere Social-Media Kanäle weiter ausbauen. Wir wollen unsere Präsenz auf TikTok, YouTube etc. verstärken und dabei Videoformate zunehmend in den Fokus rücken. Unsere TV Werbung werden wir beibehalten, wenn auch nur den Clip vor der Tagesschau. Hier wollen wir einen neuen Spot drehen, den wir auch online nutzen können.
Um beim Thema Marketing zu bleiben: Trigema ist stark mit dem Gesicht eures Vaters verknüpft. Strebt ihr bei dem Führungswechsel auch ein Imagewechsel der Firma an?
Wolfgang: Das Ausscheiden unseres Vaters ist sicherlich eine der grössten Herausforderungen in den nächsten Jahren. Vor allem in den letzten Jahren wurde Trigema immer mehr und immer stärker mit unserem Vater assoziiert, unter anderem durch die Werte des klassischen traditionellen Unternehmers, die er verkörpert. Wir müssen einen Weg finden, diese aktuell sehr positive Aussendarstellung auf unseren Weg mitzunehmen und uns gleichzeitig auch ein eigenes Image aufzubauen. Ich selbst finde, wir sollten lieber eine komplett andere Strategie fahren, als zu versuchen, das Image unseres Vaters zu kopieren. Die grosse Frage, die wir uns stellen, ist, wie wir zu einem neutraleren Markenimage kommen und langfristig unsere Abhängigkeit von der Person unseres Vaters lockern.
Euer Vater äussert sich auch immer wieder zu politischen Themen. Wie steht Ihr dazu, politisch klar Stellung zu beziehen?
Bonita: Unser Vater hat sich über viele Jahre durch seine Erfahrung eine sehr fundierte Meinung aufgebaut, mit welcher er sich positioniert. Ich fände es jedoch schwierig, wenn wir das einfach kopieren würden, da wir jünger sind und weit aus weniger Erfahrung haben.
In den letzten Monaten wurde Euer Vater in den Medien für sein sehr traditionelles und konservatives Frauenbild kritisiert. Was denkt ihr darüber?
Bonita: Wir sind ein sehr frauenlastiger Betrieb, 80% unserer Belegschaft sind weiblich. Das ist natürlich auch den Charakteristika der Textilindustrie geschuldet. Auch im Führungsbereich sind 73% unserer Führungspositionen von Frauen besetzt. Mein Vater gehört zu einer anderen Generation und jede Generation denkt anders über gewisse Themen. Er weiss auch, dass wir seine Ansichten nicht immer teilen, aber trotzdem verstehen wir uns. Themen wie das Frauenbild, das er nach aussen transportiert, werden intern ganz anders gelebt. Sonst hätten wir weder so einen grossen Frauenanteil bei uns noch so lange Betriebszugehörigkeiten unserer Mitarbeiterinnen.
Wolfgang: Die Dinge, die mein Vater sagt, egal ob es um das Thema Frauen oder etwas anderes geht, sind häufig polarisierend. Aufgrund seines Alters, Berufs und seiner Erfahrung werden diese Aussagen, wenn sie von unserem Vater getätigt werden, eher noch geduldet als wenn wir uns dementsprechend äussern. Wenn konkret ich, als Mann einer jüngeren Generation, diese Aussagen öffentlich zum Besten geben würde, dann würde ich wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit dafür öffentlich in der Luft zerrissen werden. Natürlich sind wir auch nicht immer seiner Meinung, doch wir kennen ihn sehr gut. Das Problem der aktuellen Medienlandschaft ist, dass Sie von einem Interview einen reißerischen Satz rausnehmen und diesen als Überschrift verwenden. Wenn man den Bericht ganz lesen würde, dann würde man merken, dass unser Vater nur ein Extrembeispiel nennt, welches im Kern sicherlich oft richtig ist.
In einem Interview sagte Euer Vater jüngst: «Wer von zuhause arbeiten kann, ist unwichtig» Ist das Thema Home Office auch eine Aussage, die innerhalb der Familie und der Firma anders diskutiert wird als in besagtem Interview?
Bonita: Von 1200 Mitarbeitern arbeiten nur knapp 40 in der Verwaltung. Viele Tätigkeitsbereiche sind sehr eng mit der Produktion verwoben. Insofern ist das Home-Office nicht sehr praktisch und wir bevorzugen es, wenn die Mitarbeiter vor Ort sind. Da wir sowohl Produktion als auch Verwaltung am Standort haben, wollen wir Home Office nicht in der Verwaltung erlauben aber der Produktion verwehren. Näharbeiten für ein Unternehmen wie Trigema lassen sich leider nicht von zuhause aus erledigen. Selbstverständlich ist es in den Berufsfeldern, die es ermöglichen nach Absprache auch mal möglich. Wir schauen gerade eher, wie wir unsere Arbeitsplätze in der Produktion langfristig noch attraktiver gestalten können. Ich persönlich habe den generellen Eindruck, dass das ganz Home Office Thema aktuell nicht mehr die Relevanz hat wie noch zu Corona-Zeiten
Mit welcher Strategie wollt Ihr dann vor allem jüngere Leute nach Burladingen ziehen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Bonita: Ich kenne viele Firmen in urbanen Gebieten, die genauso ein Problem mit dem Fachkräftemangel haben, wie wir. Wir setzen weiter auf Ausbildungen, dieses Jahr haben zum Beispiel neun Auszubildende in verschiedenen Berufen bei uns angefangen. Wir planen, mehr Mitarbeiterwohnungen in Burladingen anzubieten. Am Standort Burladingen haben wir keine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, was den Arbeitsweg für Mitarbeiter ohne Auto massiv erschwert. Langfristig planen wir vermehrt aus dem Ausland zu rekrutieren.
In einer Dokumentation des SWR über Euch, ist vom Trigema-Village die Rede. Eine Art Siedlung aus Tiny Häusern, die Ihr in Burladingen plant. Sind Tiny Häuser ein solches Mittel, um Burladingen für Fachkräfte attraktiv zu machen?
Wolfgang: Offen gesagt wurde das vom SWR etwas anders dargestellt, als wir es umsetzen wollten. Wenn so eine Dokumentation produziert wird, bekommen wir das Ergebnis vor der Ausstrahlung nicht zu sehen. In der Besprechung mit dem Bürgermeister, die dort gezeigt wird, ging es um viele Themen – eins davon waren diese geplanten Tiny Häuser. Insofern wurde dieses Thema etwas größer aufgezogen, als es tatsächlich ist. Deshalb bekomme ich nun viele Anrufe von Firmen, die uns Häuser verkaufen möchten.
Aber in der Tat, diese Tiny Häuser planen wir. Wir stellen viele ausländische Fachkräfte ein, beispielsweise stammt ein neuer IT-Administrator aus dem Iran. Die Idee ist, ihnen für die Zeit der Wohnungssuche schnell und unkompliziert gute Wohnungen zur Verfügung stellen zu können. Dafür haben wir zwei solcher Häuser gekauft. Ob das Konzept funktioniert, wird sich zeigen. Falls nicht, kommt ein Kran und baut sie wieder ab.
Qualifizierte Menschen aus dem Ausland einzustellen, sehen viele als ein Mittel gegen den Fachkräftemangel. Ist eine mögliche Sprachbarriere bei Euch im Unternehmen ein Thema?
Wolfgang: Viele dieser Fachkräfte sprechen tatsächlich fließend Deutsch. Deutsch ist im Betrieb auch sonst Arbeitssprache. Dadurch, dass wir schon seit den 60er Jahren ausländische Fachkräfte einstellen, können wir diese dann auch gut integrieren.
Bonita: Wir bieten beispielsweise auch Deutschkurse an. Dies machen wir nicht nur primär für unseren Betrieb, sondern auch weil wir die Integration unseren neuen Mitarbeiter fördern wollen. Bei uns arbeiten Menschen aus über 40 unterschiedlichen Nationen. Oftmals können sich die Mitarbeiter dabei untereinander helfen und lernen damit sehr schnell. In der Regel sprechen sie dann schon nach zwei Jahren gutes Deutsch.
In den Medien war vor einiger Zeit die Rede davon, dass sich die Energiekosten von Trigema zeitweise fast verzehnfacht hätten. Das stellt für Trigema doch sicherlich einen Standortnachteil in Deutschland dar.
Wolfgang: Wir benötigen für unsere Produktion viel Energie und vor allem Wasserdampf. Wir nutzen dazu effiziente Gasturbinen, mit welchen wir Strom produzieren und die Abwärme zur Dampfproduktion nutzen. Teilweise war die eben genannte Aussage über enorme Kostensteigerungen in Verbindung mit dem Gaspreis tatsächlich richtig, wenn auch nur an bestimmten Tagen. Zeitweise lagen wir aber bei monatlichen Gaskosten von fast einer Million Euro. Das war für uns eine Verdreifachung der Gaskosten. Die Politik hat mit dem Energiekostendämpfungsprogramm und der Gaspreisdeckelung tatsächlich schnell reagiert, das hilft für den Moment.
Was erwartet Ihr von politischen Akteuren in puncto Energiepolitik?
Wolfgang: Entscheidend ist die Planungssicherheit. In den nächsten Jahren brauchen wir beispielsweise eine neue Energieversorgung, da unsere jetzige Gasturbine ersetzt werden muss. So ein Investment in Höhe von mehreren Millionen Euro tätigt man nicht mit einem Horizont von fünf Jahren. Wir können diese Entscheidung allerdings aktuell nicht treffen, da wir auf eine Entscheidung der Politik warten. Die Optionen sind vielfältig. Kommt beispielsweise ein Industriestrompreis und die Zulagen für Gas werden teurer, wäre die Gastrubine nicht rentabel. Wir brauchen von der Politik klare Ansagen, in welche Richtung es geht. Wir wollen wissen, was verboten und was gefördert wird. Und mit Fördern meine ich keine Subventionen durch den Staat. Wir wollen uns langfristig für den Technologieweg entscheiden, auf den uns in Zukunft am wenigsten Steine gelegt werden. Dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine entsprechende Entscheidung fällen können, ist schade.
Bonita: Langfristig könnten beispielsweise die Gasturbinen auch Energie aus Wasserstoff erzeugen. Wenn wir aber nicht wissen, ob wir in naher Zukunft an ein entsprechendes Netz angebunden werden, können wir hier keinen Fortschritt machen.
Abgesehen von der Thematik Energie, worin seht Ihr Verbesserungspotenzial für den Standort Deutschland?
Bonita: Bürokratieabbau. Ich gebe Euch ein Beispiel. Wir haben gerade eine Auszubildende aus dem Ausland eingestellt. Obwohl klar ist, dass am ersten September Ausbildungsstart in Baden-Württemberg ist und heute viele Auszubildende aus dem Ausland stammen, hat sie ihre Arbeitsbewilligung nicht rechtzeitig erhalten. Einige haben sogar vor der Ausländerbehörde in Stuttgart gezeltet, um die Bewilligung pünktlich zu erhalten. Das darf nicht sein. Die Behörde selbst erstickt unter der Last von Personalmangel, komplexen Prozessen und unnötigen Auflagen. Die Anforderungen sind teilweise sogar für uns Deutsche so komplex, dass wir sie nicht durchdringen. Daran muss sich dringend etwas ändern.
Ihr werdet in naher Zukunft die Führung des Unternehmens übernehmen. Was sind die zentralen Werte und Eigenschaften von Trigema, die Ihr Euch beibehalten wollt?
Wolfgang: Wir wollen demonstrieren, dass ein produzierendes Familienunternehmen in Deutschland nachhaltig funktionieren und weiterhin Verantwortung für alle Stakeholder, für die Umwelt, die Mitarbeiter und den Standort übernehmen kann. Dafür wollen wir Werbung machen. Schon unser Vater hat sich klar von dieser Überzeugung und den hierfür zugrundeliegenden Werten leiten lassen. Deswegen hatte er als einziger vollstufiger Textilproduzent in Burladingen Bestand.