Herr Brenner, Sie haben vor beinahe 15 Jahren Ihr Studium an der Universität St. Gallen abgeschlossen. Wie hat diese Zeit an der HSG sowohl Ihre berufliche als auch persönliche Entwicklung beeinflusst?
In erster Linie vermittelt die Universität das Erlernen des Lernens, was sich zweifellos auf meine berufliche Karriere ausgewirkt hat. Nach meiner Erfahrung hat man 90% der Aufgaben, die man als Unternehmer in den ersten 5 Jahren des Aufbaus eines Start-ups erledigt, vorher noch nie gemacht. Die strukturierten Methoden, um rasch neues Wissen zu erlangen und sich in diese neuen Themengebiete einzuarbeiten, wurden mir hauptsächlich in der Studienzeit vermittelt.
Zusätzlich war ich während meiner Studienzeit im ISC (International Students‘ Committee, Organisator des St. Gallen Symposium) für den Bereich IT verantwortlich, was mir ein hohes Mass an Professionalität vermittelte. Zudem stammen viele meiner engsten Freunde aus dieser Zeit in St. Gallen, insbesondere aus meiner Zeit im ISC.
Darüber hinaus absolvierte ich damals einen Austausch in Hongkong und entschied mich anschliessend für einen Master in Singapur. Das war sicherlich eine Horizonterweiterung für mich, da es mir auch heute noch hilft, mich und was ich tue in einen globalen Kontext einzuordnen. Das sind die entscheidenden Einflüsse, die meine Studienzeit geprägt haben.
Neben Ihrem Engagement beim ISC waren Sie 2007 auch als Chairman von START St. Gallen aktiv. Welche Erkenntnisse und Erfahrungen hatten Sie aus dieser Zeit für Ihre eigenen Unternehmensgründungen mitgenommen?
Die Dimensionen von START waren damals noch vollkommen anders. Wir waren dankbar, wenn wir bei Veranstaltungen 50 Teilnehmer hatten. Das steht in starkem Kontrast zur heutigen Präsenz und Bedeutung der Organisation.
Als ich die Verantwortung übernahm, befand sich START technisch gesehen in einer völlig anderen Lage: Ein dysfunktionales Team und letztendlich ein negativer Kontostand. Das heisst meine Aufgabe war es, kurz und schmerzlos, das Team effizient auszutauschen und eine Transformation einzuleiten. Das sehe ich auch als mein Beitrag, dass ich dort ein Team rekrutiert habe, dass in der Lage war, ein funktionierendes Event zu organisieren. Diese Erfahrung hatte für mich in zweierlei Hinsicht eine umfassende Bedeutung. Zum einen war da das Netzwerk, das sich während dieser Zeit aufgebaut hat. Andererseits habe ich eine zentrale Erkenntnis aus dieser Phase mitgenommen: Der Wert eines starken Teams sollte nie unterschätzt werden.
Bevor wir tiefer in die einzelnen Stationen Ihrer beruflichen Laufbahn eintauchen, könnten Sie uns einen kurzen Überblick über Ihre Karriere seit dem Studium geben?
Meine berufliche Reise begann mit Engagements in verschiedenen Start-ups, jeweils für einige Monate. Anschliessend war ich mehrere Jahre in unserem Familienunternehmen tätig, das hauptsächlich Biomasse an grössere Energieunternehmen lieferte. Meine Funktion bestand vor allem darin, den französischen Markt deutlich zu erweitern und den schweizer Markt weiterzuentwickeln und schlussendlich dann das Unternehmen im Jahr 2014 zu verkaufen. Das war meine erste Erfahrung mit Private Equity und einem strukturierten Fundraising-Prozess, bei dem erstmals statische Käufer und Private Equity Fonds Angebote abgaben.
Daraufhin gründete ich Avrios mit zwei technischen Mitgründern. Die Idee war, ein Problem zu lösen, das wir im Familienunternehmen hatten: eine klare Übersicht darüber zu bekommen, wie viele Fahrzeuge wir eigentlich besitzen, welche Kosten damit verbunden sind und welches Fahrzeug unter Gesichtspunkten wie Gesamtkosten und Eigentumseffizienz am besten abschneidet. Zudem wollten wir die administrativen Prozesse optimieren. Als CEO leitete ich das Unternehmen und bildete schliesslich eine interne Nachfolge aus, um in den Verwaltungsrat zu wechseln. Aus dieser Position heraus unterstützte ich das Unternehmen bei der Vorbereitung einer “Buy & Build”-Strategie. Die Vorbereitungen dauerten etwa 2 Jahre, bevor wir das Unternehmen dann im Jahr 2023 verkauften.
Auf der Suche nach einer neuen Möglichkeit, meine Fähigkeit gewinnbringend für die Gesellschaft und die Finanzen meiner Familie einzusetzen, gründete ich Jua zusammen mit einem technischen Mitgründer. Wie bei Avrios liegt meine Hauptverantwortung wieder in der Entwicklung der Gesamtstrategie, im Fundraising und in der operativen Führung des Unternehmens. Nebenbei bin ich in einigen Verwaltungsräten von Start-ups aktiv und habe in Unternehmen wie Cleanhub.com, Roseframework.io und Rrreefs investiert.
Bezüglich Ihrer Investitionen: Werden Sie aktiv von Start-ups kontaktiert, die nach Investoren suchen, oder suchen Sie aktiv nach potenziellen Start-ups?
Hierbei gibt es verschiedene Wege und Phasen in meinem Leben. Bei den ersten beiden Investitionen habe ich proaktiv gehandelt und die Idee vor der eigentlichen Gründung unterstützt, als sie noch in der Entwicklungsphase war.
Ein Beispiel hierfür ist Cleanhub. Joel (Founder & co-CEO von Cleanhub) war ursprünglich ein Praktikant bei Avrios und sagte während des Vorstellungsgesprächs: “Guck, ich komme hierher nur, um zu lernen, wie ein Start-up funktioniert, und dann gründe ich meine eigene Firma.” Ich war damit sofort einverstanden. Die einzige Bedingung war, dass ich investieren wollte, wenn er seine Idee umsetzte. Also habe ich Joel Geld zur Verfügung gestellt, bevor ganz genau klar war, was die eigentliche Geschäftsidee in der Recycling-Branche werden würde. Etwa ein Jahr später entstand Cleanhub. Bei anderen Investitionen kamen Leute auf mich zu. Es ist also eine Mischung aus einem wachsamen Auge und einem breiten Netzwerk, das es ermöglicht, dass Menschen auf einen zukommen, wenn Expertise bei der Gründung gefragt ist.
Rückblickend auf Ihre erste Start-up-Gründung mit Avrios im Jahr 2015 – welche Herausforderungen sind in der Anfangsphase und während der Skalierung des Unternehmens für Sie aufgetreten?
Wir standen einerseits vor erheblicher Ungewissheit. Andererseits war es eine persönliche Herausforderung. Denn mit dem Wachstum des Unternehmens änderte sich meine Rolle von einem individuellen Contributor, der alle möglichen Dinge selbst macht, zu einem Manager, der vor allem Personen leitet. Später wurde ich zum “Manager des Managers”, der Personen leitet, die wiederum andere führen. Dies erforderte anfangs eine hohe Selbstdisziplin. So musste ich mir am Anfang oft sehr viele operative Fähigkeiten selbst beibringen von Sales-Fragen bis zu Personalfragen und Fundraising. Gleichzeitig musste ich als Person wachsen, um den immer höheren Anforderungen an meine Führungsfähigkeiten gerecht zu werden. Dieser Balanceakt war definitiv keine leichte, aber eine sehr erfüllende Aufgabe.
In Bezug auf die anspruchsvolle Personalführung innerhalb Ihres Unternehmens: Hatten Sie in dieser Phase externe Unterstützung bei der Bewältigung dieser Aufgaben in Anspruch genommen?
Während der Aufbauphase von Avrios habe ich über 200 Bücher zu den Themen Sales, Marketing, Leadership und mehr gelesen. Es war eine Zeit, in der ich mir selbst ein umfassendes Wissen aneignen musste, und ich meine nicht nur die Kurzfassungen bei Blinklist. Die Methoden und Strategien, die ich an der Universität gelernt habe, haben mich dabei massgeblich unterstützt.
Zusätzlich habe ich eng mit einem Mentor zusammengearbeitet, einem erfahrenen Unternehmer, der selbst mehrere erfolgreiche Unternehmen aufgebaut hat. Ausserdem habe ich von einem internen Feedback-Tool profitiert, das wir im Unternehmen etabliert hatten und das Möglichkeiten zur Verbesserung im Betrieb aufzeigte. Schliesslich habe ich auch mit einer Psychologin an meiner Selbstsicherheit und Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet. Meiner Ansicht nach kann man umso authentischer und effektiver führen, desto besser man weiss, wer man ist und wofür man stehen möchte.
Mithilfe eines Deep-Learning-Modells erstellt Jua Wettervorhersagen mit herausragender Genauigkeit, Präzision und Geschwindigkeit. Damit bieten Sie eine zukunftsweisende Lösung in einem beständigen Sektor. Wie stehen Sie generell zu KI-gestützten Lösungen für Vorhersagen?
Ich bin der Ansicht, dass wir erwartet haben, dass das Internet die globale Produktivität massiv steigern würde. Nach meinem Wissen hat sich dieses Versprechen jedoch nicht erfüllt. Es hat zwar bestimmte Branchen digitalisiert und revolutioniert, die Kommunikation verändert und Vertriebsmodelle umgestaltet, aber die Pro-Kopf-Produktivität wurde nicht in dem Masse gesteigert, wie es erwartet wurde. Diese Potenzialrealisierung sehe ich jedoch im maschinellen Lernen, da es die Automatisierung und Beschleunigung echter und hochwertiger Arbeit ermöglicht. Es hebt viele unserer menschlichen Fähigkeiten auf ein völlig neues Niveau.
Die zweite Ansicht betrifft den Aufschwung des gesamten Technologie Stacks rund um maschinelles Lernen, der derzeit stattfindet. Ich glaube, dass maschinelles Lernen eine der vielversprechendsten Technologien seit dem Internet für die Menschheit und den wirtschaftlichen Wohlstand ist. Das gilt für verschiedene Branchen, angefangen bei einfachen Anwendungen wie Sprachmodellen von Chat-GPT, bis hin zur Modellierung neuer Energie-Technologien, die jetzt um ein Vielfaches effizienter modelliert werden können. Das betrifft auch die Medizin, beispielsweise die Entwicklung spezialisierter Proteine. Letztendlich ist maschinelles Lernen vor allem eine viel effizientere Modellierungstechnologie als alles, was es bisher gab. Das bedeutet, dass alles, was bisher auf Statistik oder Algorithmen basierte, in gewisser Weise verändert werden kann. Auch wenn OpenAI hohes Engagement in diesem Feld gezeigt hat, sind wir dennoch eine ganze Ecke von genereller künstlicher Intelligenz entfernt.
Ihr vorheriges Start-up und Ihre gegenwärtige Ausrichtung weisen stark in die technologische Richtung, obwohl Sie mit BWL begonnen haben. Wie hat sich Ihr Interesse an Technologie entwickelt?
Die Frage nach meinem Interesse an Technologie hat zwei Ursprünge. Erstens habe ich in meiner Jugend Counter-Strike gespielt, ein Computerspiel. Damals musste man viel selbst einrichten, und als ich in einem Gaming-Clan war, benötigten wir eine Website. Also habe ich mich damit beschäftigt, wie man einen Webserver aufsetzt und eine Website erstellt. Zweitens hatte ich das Glück, das einer meiner Lehrer in der Gymnasialzeit extrem langweilig war. Das bedeutete, dass ich in der Zeit seiner Stunden lieber meinen Taschenrechner programmierte, als ihm zuzuhören. Dort habe ich beispielsweise Programme geschrieben, die mir geholfen haben, meine Mathe- und Physikprüfungen schneller zu lösen. Auf diese Weise bin ich in ein Webforum für Programmierer geraten, wo man sich austauschen konnte, und dann hat sich eins zum anderen entwickelt.
Wie schafft es Jua, technologisch gesehen mit der Schnelllebigkeit und rasanten Entwicklung von Deep-Learning-Modellen Schritt zu halten?
Ihr sprecht gerade ein Grundprinzip von Start-ups an. Die Hauptfunktion eines Start-ups muss es sein, sehr schnell neue Informationen zu generieren, daraus zu lernen und dann den Kurs entsprechend anzupassen – sei es die Strategie, das Produkt oder alles andere. Ein Start-up wird meiner Meinung nach nur dann erfolgreich sein, wenn der Kern aller Prozesse, die Kultur darauf ausgerichtet ist, dass das Start-up möglichst schnell lernt und sich anpasst.
Berater sprechen gerne von agilen Organisationen und propagieren praktisch, dass auch grosse Unternehmen agil werden sollten, was natürlich eine gewaltige Aufgabe ist. Start-ups sind von Natur aus agil und müssen es auch sein. Ich denke auch, dass dies der einzige nachhaltige Wettbewerbsvorteil ist, den man haben kann. Ich glaube nicht, dass Technologie an sich ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil ist. Als Technologiefirma sind wir nicht im Bergbau tätig, wo man von der Regierung eine lebenslange Lizenz zum Gelddrucken bekommt und es nur eine physische Mine gibt, die niemand sonst betreten kann. Wenn man sich das Porter‘s-Five-Forces-Modell ansieht und fragt, welche strategischen Ressourcen wir haben, hat eine Tech-Firma eigentlich nichts nachhaltiges, ausser der Fähigkeit, sich extrem schnell zu adaptieren und rasch zu experimentieren. Das zeigt sich in allem, was wir tun – von der Zielsetzung über die Strukturierung unserer Roadmap bis hin zur Auswahl unserer Teammitglieder und dem Funktionieren unserer Infrastruktur.
Ein gutes Beispiel, das diesen Unterschied verdeutlicht, ist der Vergleich zwischen traditionellen Autoherstellern und Tesla. Der grösste Unterschied liegt nicht in der Antriebstechnologie – VW kann auch Elektromotoren bauen, wenn sie es wollen – sondern in der Anzahl der Experimente und Entwicklungszyklen. Tesla führt Hunderte von Experimenten pro Woche durch. Alles ist darauf ausgerichtet, ihre Kultur, ihre Produktionslinien und ihre gesamte Struktur zu entwickeln und anzupassen. Andere Autohersteller führen hingegen nur einige Dutzend Experimente pro Jahr durch, und man lernt einfach nicht so schnell. Das kumulative Lernen ist entscheidend und drückt sich in der Lerngeschwindigkeit und der Anzahl der Experimente aus.
In welchem Entwicklungsstadium befindet sich Jua zurzeit? Was ist der Plan für die Zukunft?
Um die Frage nach dem Stand von Jua zu beantworten: Ursprünglich startete Jua als wissenschaftliches Projekt vor etwa fünf Jahren im Rahmen des Familienunternehmens der Familie meines Mitgründers. Im vergangenen Jahr entwickelten wir einen Prototyp und gründeten dann gemeinsam das Unternehmen. Unser erstes Produkt, ein globales Wettervorhersagemodell, wurde im Januar publiziert. Jedoch haben wir mit den ersten Kunden die Zusammenarbeit wieder beendet, da wir uns auf die Energieindustrie fokussieren wollten. Darüber hinaus hatten wir das ambitionierte Ziel, nicht nur ein Wettervorhersagemodell, sondern ein „Large Physics Model“ zu entwickeln, das irgendwann alle physikalisch erklärbaren Fragen rund um die Natur, den Menschen und die Industrie beantworten kann.
Derzeit befinden wir uns in der Pre-Marketing-Phase und gehen im ersten Quartal 2024 an den Markt. Aus Sicht des Kapitalmarktes sind wir ein solide ausgestattetes Seed-Stage-Startup mit einer kürzlich abgeschlossenen Finanzierungsrunde im achtstelligen Bereich.
Und was sind unsere grossen Pläne? Diese stehen im Kontext der gegenwärtigen Herausforderungen und Chancen in unserer Gesellschaft. Auf der einen Seite steht die immense Herausforderung der Klimaveränderung, während auf der anderen Seite die einzigartige Chance einer Datenexplosion besteht. Im vergangenen Jahr wurden so viele Satelliten gestartet wie in der gesamten vorherigen Menschheitsgeschichte. Die Anzahl der IoT-Geräte stieg von 2019 mit acht Milliarden auf voraussichtlich 30 Milliarden bis 2030, und diese Geräte werden kontinuierlich verbessert. Wir erleben einen Zustrom von Milliarden von Sensoren, darunter fortschrittliche Radare und Wetterstationen für Private, die wertvolle Informationen über die Atmosphäre und das Wetter liefern.
Die Herausforderung besteht darin, diese enorme Datenmenge zu bewältigen – hier kommt für mich maschinelles Lernen als entscheidendes Bindeglied ins Spiel. Als Werkzeug ermöglicht uns maschinelles Lernen, das exponentielle Wachstum in den Bereichen Wettervolatilität und Wetter Resilienz mit dem immensen Datenvolumen zu verknüpfen. Unsere übergeordnete Vision besteht darin, das Bewusstsein der Menschheit für die Natur voranzutreiben. Was wäre, wenn jede(r) Experimentierende eine Maschine zur Seite hätte, mit der er in Sekunden sämtliche physikalisch erklärbaren Zusammenhänge rund um Atmosphäre, Biosphäre, Mensch und Industrie modellieren könnte? Was wäre, wenn diese Maschine auch die Entdeckung neuer Physik beschleunigen könnte? Wir könnten viel besser verstehen, wie wir mit der Natur zusammenleben, wie wir sie beeinflussen, nachhaltig nutzen und entwickeln können. Irgendwann könnten wir auch unser Verständnis des Universums verbessern und somit zur langfristigen Entwicklung der Menschheit beitragen.
Sie haben durch Ihre Beteiligung an Avrios und Jua diverse Einblicke in die Startup-Szene erhalten und durch Ihre eigenen Gründungen viel Erfahrung gesammelt. Welche Ratschläge würden Sie unseren Mitstudierenden mit auf den Weg geben?
Als ich damals an der Uni war, lautete ein Rat, den ich bekommen habe: Einfach machen. Diese Botschaft mag damals für mich unklar gewesen sein, aber heute gebe ich diesen Ratschlag den Leuten gerne auf den Weg.
Meiner Meinung nach gibt es im Wesentlichen zwei sinnvolle Wege, Unternehmer zu werden. Der erste besteht darin, viel Zeit darauf zu verwenden, das Problem, das man langfristig lösen möchte, besser zu verstehen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Elon Musk, der sich seit seiner Jugend damit beschäftigt, was der Mensch tun muss, um eine Multi-Planetenspezies zu werden. Dabei können auch grosse Unternehmen von Interesse sein. Wenn ich beispielsweise denke, dass weniger Menschen rauchen sollten, könnte es sinnvoll sein, in der Marketingabteilung eines Tabakunternehmens zu arbeiten, um die Gründe dafür, wieso Menschen rauchen, zu erforschen. Der Schlüssel ist, viel Zeit mit dem Problem zu verbringen, das einen begeistert und das man lösen möchte.
Der zweite Weg ist, einfach anzufangen. Dabei gibt es verschiedene Herangehensweisen an das “Einfach machen”. Eine Möglichkeit besteht darin, sich einem Start-up anzuschliessen, um einen Einblick in dessen Funktionsweise zu erhalten. Die andere Möglichkeit ist, selbst aktiv zu werden. Meiner Erfahrung nach gleichen sich die Herausforderungen beim Aufbau von Unternehmen in verschiedenen Sektoren letztendlich.
Ein kleiner Kontrapunkt: An der Universität gibt es viele Businessplan-Wettbewerbe und Unterstützungsprogramme. Dabei wird ein hoher Wert auf die Idee eines Start-ups gelegt. Die Idee an sich ist jedoch wenig wert, denn sie verändert sich ohnehin im Verlauf des Prozesses. Es ist meiner Ansicht nach wertvoller zehn Menschen das zu verkaufen, was man macht oder machen möchte, und so zu tun, als hätte man es bereits, als sich ein halbes Jahr mit dem Lesen von Büchern und dem Schreiben eines Businessplans zu beschäftigen.
Können Sie sich langfristig vorstellen, ausserhalb der Start-up-Welt zu arbeiten? Beispielsweise in einem traditionellen Konzern, wo weniger Risiko besteht und weniger Eigeninitiative gefragt ist. Was sind Ihre Zukunftspläne?
Jeder Job, der mir bisher zur Verfügung gestanden wäre, hätte das Risiko geborgen, nicht an dem zu arbeiten, was ich wichtig finde. Geld ist unendlich und lässt sich aufgrund meiner guten Ausbildung in jedem Alter verdienen. Zeit hingegen ist endlich. Das Risiko, meine Lebenszeit zu verschwenden, empfinde ich als viel grösser, als temporär nicht das maximal mögliche Geld zu verdienen. Um meine individuellen Ziele zu erreichen, wären also die meisten Jobs deutlich risikobehafteter als die Unternehmerkarriere. Die Unternehmerkarriere erlaubt mir die Freiheit, an dem zu arbeiten, was ich wichtig finde.
Wichtig finde ich, dass ich ein mental präsenter Vater für meine Tochter sein kann und hoffentlich für weitere Kinder in der Zukunft. Die Balance zwischen körperlicher Gesundheit, mentaler Präsenz als Vater und sinnvoller, einflussreicher Arbeit zu schaffen, ist mein persönliches Ziel. Am liebsten möchte ich am Ende meines Lebens darauf zurückschauen, ein erfülltes Familienleben gehabt und die Menschheit ein Stück in eine positive Richtung weiter entwickelt zu haben.
Ich wäre der Idee in einer Firma mitzuarbeiten nicht abgeneigt, habe mich nun aber fest für Jua entschieden. Ich habe davor auch kein Jobangebot erhalten, welches mir erlaubt hätte, meine Ziele zu erreichen.