Eine kolumnistische Adaption von Max Frischs Fragebogen aus dem Jahre 1966.

I. Bist Du sicher, dass Dich die Herbeiführung und die Erhaltung eines Zustands von Harmonie, von dem weder Du noch einer Deiner Bekannten betroffen ist, wirklich interessiert?

II. Wozu?

III. Wie viel an Harmonie, die Du hättest herbeiführen können, ist durch Deinen Willen nicht in die Welt getreten?

IV. Zu wem hättest Du in Deiner Vergangenheit, gegenwärtig oder zukünftig lieber keine harmonische Beziehung?

V. Weisst Du dich einer Person, Organisation oder Idee gegenüber Deinerseits für Disharmonie verantwortlich, und hasst Du eher Dich selbst oder die Person / Organisation / Idee dafür?

VI. Möchtest Du die absolute Harmonie, zu jeder Zeit und in jeder Situation?

VII. Wie heisst der Politiker / Unternehmer / Wissenschaftler / Künstler, dessen Leben mit grossen Disharmonien die Du nicht zu verantworten hättest Dich mit Hoffnung erfüllen könnte? Oder wünscht Du jedem ab und an Harmonien?

VIII. Hälst Du eine andere Nation / Kultur / Zeit / Kirche / Partei / Branche für harmoniefähiger als Deine? Und welche?

IX. Ist das ein organisationaler Vor- oder Nachteil?

X. Wenn Du die Macht hättest zu befehlen, was Dir heute geeignet scheint im Kleinen oder im Grossen zu Harmonie zu führen, würdest Du es befehlen, gegen den Widerspruch der Mehrheit in deiner Familie / Organisation / Gesellschaft? Ja oder Nein.

XI. Warum nicht, wenn es Dir richtig und Harmonie doch erstrebenswert scheint?

XII. Erzeugst, erträgst und / oder nutzt Du Disharmonien lieber gegenüber einer Organisation, Idee, Partei oder Marke oder gegenüber einer bestimmten Person?

XIII. Erzeugst, erträgst und / oder nutzt Du Disharmonien lieber allein oder im Kollektiv? Offline oder Online? Emotional oder durchdacht?

XIV. Wann hast Du aufgehört zu meinen, dass Du harmonie(un)bedürftiger wirst?

XV. Überzeugt Dich deine Einstellung zu Harmonie? Und deine Lebensrealität?

XVI. Was, meinst Du, wäre ein berechtigter Grund mit einer allgemein als harmonisch empfundenen Situation zu brechen? Was war ein unberechtigter Grund, aus dem heraus jemand eine von dir als harmonisch empfundene Situation verändert hat? Wenn es nicht derselbe Grund ist: wer von Euch hat / sollte um Verzeihung bitten?

XVII. Wenn Du Dir beiläufig vorstellst, das Internet wäre nicht entwickelt worden: beunruhigt Dich diese Vorstellung? Und im Hinblick auf die Harmonie in deinem Leben / für die Menschheit?

XVIII. Lebst du in Harmonie? Und woraus schliesst Du das?

XIX. Gesetzt den Fall, Du hast noch nie einen Menschen umgebracht, wie erklärst Du es Dir, dass es dazu nie gekommen ist?

XX. Was fehlt Deinen Eltern / Deiner Facebook-Gruppe / Deinem Studiengang / Deinem Praktikumsgeber / Deiner WG zur Harmonie?

XXI. Für welche harmonische Situation, unabhängig ob Du zu ihr beigetragen hast, bist du dankbar?

XXII. Möchtest Du lieber in Deiner technologisch wie demokratisch fortschrittlichen Zivilisation in Disharmonie leben, oder ein harmonisches Leben in einer analogen Stammesgesellschaft / einer virtuellen Realität führen? In welcher?

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Vom Hamburger Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler Manouchehr Shamsrizi, der als «among the most publicly prominent voices of Germany’s younger generation» (Washington Post) gilt, jüngster Global Justice Fellow der Yale University sowie jüngster Sprecher beim Belleuve Forum des Bundespräsidenten war und zum Fellow of the Royal Society of Arts, Handelsblatt Fellow und Global Shaper des Weltwirtschaftsforums gewählt wurde, kommt diese kolumnistische Adaption von Max Frischs Fragebogen (1966). Als «Leader of Tomorrow» des 41. und 43. St. Gallen Symposiums ist Manouchehr der HSG, als regelmässiger Leser unserem Magazin verbunden.