Zurich Schweiz zeigte im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends Merkmale, die aus vielen erfolgreichen Unternehmen bekannt sind: Die Kundenorientierung drohte aufgrund der Fokussierung auf interne Effizienzprogramme in den Hintergrund zu rücken. Trotz solidem Neugeschäft stagnierte die Kundenbasis, man lief Gefahr, Marktanteile zu verlieren. Es galt also, das Ruder herumzureissen und sich rechtzeitig auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten. Marktanalysen ergaben, dass tiefgreifende Änderungen erforderlich waren. Im Mittelpunkt stand insbesondere ein grundlegender kultureller Wandel.

Lokale Verankerung und Beratung auf Augenhöhe

Der Wandel wurde mit einem wegweisenden Entscheid im Aussendienst eingeläutet: Anstelle des Angestelltenmodells trat das Unternehmertum. Die Generalagenten sollten künftig nicht mehr als Arbeitnehmer tätig sein, sondern als selbständige Unternehmer und Arbeitgeber für ihre Kundenberater und den Innendienst sowie für das Budget und das Erreichen der Jahresziele verantwortlich sein. Grund: Mit diesem unternehmerischen Spielraum stärken die Unternehmer-Generalagenten ihre lokale Verankerung. Sie richten die Marktbearbeitung gezielt auf die Besonderheiten ihrer Region aus und können so die Bedürfnisse ihrer Kunden noch besser bedienen.

Gestützt wurde dieser Entscheid auch von der Erkenntnis, dass Firmenkunden heute eine Beratung auf Augenhöhe fordern – von Unternehmern für Unternehmer. Für diese anspruchsvolle Aufgabe sollten die Generalagenten von Zurich die richtige Adresse sein. Als Arbeitgeber würden sie fortan fachkundige Teams führen – als Unternehmer würden sie sich engagiert für ihre «Firma» einsetzen und Prioritäten setzen. Kurzum: Chancen nutzen und Risiken tragen – so, wie es ihre Firmenkunden täglich tun.

Doch der Mensch ist ein «Gewohnheitstier» und ein Wandel ruft meist Unsicherheit hervor. Will man alle Beteiligten ins Boot holen, muss man den Wandel offen thematisieren und aktiv begleiten. Ein Prozess, der bei der Überführung des Vertriebs ins Unternehmertum gerade auch deshalb zur Erfolgsgeschichte wurde, weil er zwar «disruptiv» und «disharmonisch» begann – nach und nach aber immer mehr «harmonische» Elemente aufwies.

Barrieren überwinden – Chancen packen

Es wurde in einem ersten Schritt flächendeckend für die Schweiz eine neue Mustergrösse von Generalagenturen definiert, die nebst dem Generalagenten aus einer bestimmten Anzahl von Kundenberatern und Innendienstmitarbeitenden bestehen sollten. Zu diesem Zweck wurden auch bestehende, grössere Strukturen in kleinere Einheiten aufgeteilt. Die bisherigen Agenturleiter erhielten hiermit die Chance, ab Jahresbeginn 2011 ihre Aufgaben weiterhin wahrzunehmen: jedoch als selbständige Unternehmer.

Ein bestehendes und bekanntes Muster – das Regiemodell – wurde somit aufgebrochen, ein «disruptiver» Moment. Die Reaktionen waren erwartungsgemäss unterschiedlich, von vorsichtiger Zustimmung über Zurückhaltung bis hin zu Ablehnung. Ein intensiver Dialog begann: um die Veränderungen zu verstehen, zu akzeptieren und mit unternehmerischem Elan mitzutragen. Das Gros der Agenturleiter konnte die anfänglichen Barrieren überwinden und die Chancen packen.

Gemeinsame Lösungen für neue Herausforderungen

Die Theorie zeigte eine Idealzahl von rund 160 selbständigen Generalagenturen. Das war eine erste Hürde, denn es galt, innert kürzester Zeit innerhalb und ausserhalb des Unternehmens neue Generalagenten zu rekrutieren. Angesichts der Anforderungen an diese Funktion und des Fachkräftemangels in der Versicherungsbranche stellte dies eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Zudem waren es die Agenturleiter bis anhin gewohnt, sich vor allem auf die Beratung und Betreuung ihrer Kunden zu konzentrieren. Als Generalagenten übernahmen sie neu Tätigkeiten, die zu einem selbständigen Unternehmen gehören, wie zum Beispiel die finanzielle Steuerung der Agentur, das Führen der Lohnbuchhaltung oder das Erstellen eines mehrjährigen Geschäftsplans. Schliesslich sollten sie auch in der lokalen Marktbearbeitung eine klarere und vor allem deutlich sichtbarere Rolle übernehmen, um sich entsprechend bei den Kunden, in der Gesellschaft und bei den übrigen Stakeholdern zu positionieren.

Aufgrund dieser geänderten Situation nahmen die Anforderungen an den Aussendienst zu und stellte gleichzeitig auch Zurich vor neue Herausforderungen – standen sich doch nun selbständige Unternehmen mit entsprechenden Erwartungen an die Gegenseite gegenüber. In allen Bereichen der Zusammenarbeit wurde nun das Unternehmertum spürbar. Die Generalagenten konzentrierten sich auf die Übernahme und Ausübung ihrer unternehmerischen Aufgaben und suchten gleichzeitig Unterstützung in jenen Bereichen, in denen sie die entsprechende Erfahrung bisher noch nicht sammeln konnten. Diese Unterstützung holten sie sich teilweise aus den eigenen Reihen, sprich im Austausch von Erfahrungen und Best Practices mit den anderen Generalagenten. Gleichzeitig konnten sie auf die Unterstützung von dedizierten Zurich-Teams rund um die verschiedenen Themen wie zum Beispiel Marktbearbeitung oder Buchhaltungsführung zurückgreifen. Man setzte alles daran, die Generalagenten, Kundenberater und Innendienstexperten «abzuholen» und sie intensiv zu coachen. Wichtig waren die zahlreichen persönlichen Gespräche direkt vor Ort, um gemeinsame Lösungen für die neuen Herausforderungen zu finden.

Die bestehenden Kundenbedürfnisse und die regionalen sowie lokalen Ausprägungen führten dazu, dass sich die Zahl der Generalagenturen sodann auf 110 reduzierte. Es sind dies Agenturen mit unterschiedlichen Ausprägungen in Bezug auf Grösse und Zusammensetzung. Wichtig ist, dass jedes einzelne dieser selbständigen Unternehmen die lokalen Bedürfnisse im Markt abdecken und das Geschäft bzw. die Positionierung von Zurich weiterentwickeln kann.

Von grosser Bedeutung ist auch, dass die Agentur unter einer professionellen Leitung steht, eine klare Strategie hat und sich durch ihre erfolgreiche Tätigkeit nachhaltig etablieren kann. Diese Strukturbereinigung war es denn auch, die die «harmonischere» Phase einläutete, was sich schon bald in den ersten Erfolgen zeigte: Die Produktivität begann effektiv zu steigen – die Kundenbasis und Kundenzufriedenheit wuchsen wieder. Allmählich fand man wieder zu Ruhe. Nach dem tiefgreifenden Wandel ist das auch notwendig, will man wieder in die Zukunft schauen und sich voll und ganz auf die Kunden konzentrieren.

Probleme partnerschaftlich lösen

Der strategische Umbau vom Angestellten- zum Unternehmermodell war anspruchsvoll, im Grundsatz aber notwendig. Die Veränderung wird heute positiv wahrgenommen – Stabilität und Selbstsicherheit sind zurückgekehrt, die Freude an der Arbeit ist wieder greifbar und der Kunde steht mit seinen individuellen Bedürfnissen im Zentrum.

Der Prozess hat gezeigt, wie wichtig der offene und direkte Austausch ist. Dieser Dialog steht noch heute im Mittelpunkt der Zusammenarbeit zwischen Zurich und den selbständigen Generalagenturen. Eine klare, transparente Kommunikation und das partnerschaftliche Lösen von Problemen sind die Basis für gegenseitiges Vertrauen. Die Basis dazu bilden gemeinsame Werte:

  • Freude an der Arbeit und Stolz, Teil eines traditionsreichen Schweizer Unternehmens mit internationaler Strahlkraft zu sein.
  • Gegenseitiges Vertrauen, Respekt und Anerkennung. Die wahre Stärke liegt in der Leistung des Teams.
  • Empowerment: Das Ziel wird gemeinsam bestimmt – den Weg dorthin soll jeder eigenverantwortlich beschreiten.
  • Resultate – in Form von Zahlen, Daten, Fakten – als Massstab zur Bewertung der Leistung.
  • Die Fähigkeit, ausgetretene Pfade zu verlassen und das Neue zu wagen, Veränderung positiv als Chance wahrzunehmen.

 

Noch ist der Wandel hin zu einem noch besseren Kundenservice nicht abgeschlossen. Es gibt noch viel zu tun, um den grösstmöglichen Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Zum Beispiel durch den Einsatz digitaler Kanäle oder im Rahmen der gesamtheitlichen Beratung des Kunden. Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit der Zufriedenheit seiner Kunden – ihre Bedürfnisse sind die treibende Kraft hinter jedem Wandel. Disharmonische Klänge oder gar Dissonanzen gehören dazu. Sie schärfen die Aufmerksamkeit und bringen neue Impulse. Und neue Impulse sind fundamental, wenn es darum geht, bessere Lösungen zu finden, um die Kunden optimal zu beraten und zu betreuen.

 

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Adrian Kollegger ist Leiter Agents & Personal Lines Distribution sowie Mitglied der Geschäftsleitung von Zurich Schweiz. Zuvor war er Leiter des Geschäftsbereichs Commercial Business & Brokers. Seit seinem Eintritt bei Zurich 2001 hatte Adrian Kollegger verschiedene Funktionen inne, unter anderem war er als strategischer Assistent des CEO Continental Europe sowie anschliessend von 2003 bis 2010 als Leiter International Program Business und Leiter Customer & Distribution Global Corporate in Spanien tätig. Adrian Kollegger studierte an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaft mit besonderer Vertiefung in Risikomanagement und Versicherungen.