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«Vertrauen und Nähe bleiben die Basis» – Andreas Politycki über Partnerschaften und den Wandel der Versicherungsbranche

9. Dezember 2025

Können Sie uns einen Einblick in Ihren Alltag geben? Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Mein Tag ist stark durch strategische Termine geprägt: Vorstandssitzungen, Gespräche mit Führungskräften und Vertriebspartnern. Etwa 60 % sind Austauschtermine am Headquarter, die restliche Zeit nutze ich für den direkten Austausch mit Vertriebspartnern – das ist mir besonders wichtig. Wir arbeiten mit grossen Vertriebsgruppen, Ausschliesslichkeits- und Autohauspartnern. Dort geht es um gemeinsame Strategien und schnelle Umsetzung. Mein Arbeitstag ist kein nine-to-five-Job, wie man so sagt, denn viele wichtige Veranstaltungen finden am Abend oder am Wochenende statt. Zum Glück bin ich ein Mensch mit einem hohen Energielevel, der gern unter Menschen ist, so dass mir meine Arbeit, trotz des hohen Arbeitspensums, sehr viel Freunde macht und ich die Nähe zum Markt und die Gestaltungsmöglichkeiten sehr zu schätzen weiss.

Sie sind bereits seit mehr als 40 Jahren bei der NÜRNBERGER. Was motiviert oder bewegt Sie beim gleichen Unternehmen zu sein oder zu bleiben?

Ja, das stimmt – in den über 40 Jahren gab es so viele Veränderungen der Branche, aber auch bei uns im Haus, dass es nie langweilig geworden ist – im Gegenteil. Verantwortung übernehmen, Strukturen verändern und Lösungen finden – das treibt mich an. Langfristige Partnerschaften basieren auf Vertrauen und manche Geschäftspartner kenne ich seit Anfang an.

Ich habe alle Stationen im Vertrieb durchlaufen und sechs grosse Strukturänderungen begleitet. Das erfordert Mut und Anpassungsfähigkeit – genau das motiviert mich. Angebote anderer Gesellschaften habe ich nie ernsthaft verfolgt, weil ich mich hier so wohl fühle. Die NÜRNBERGER war für mich immer das beste Unternehmen, um Erfolg und Freude zu verbinden.

Versicherer gelten als Stabilitätsanker in unsicheren Zeiten. Wie beeinflussen globale Unsicherheiten, wie bspw. aufgrund der amerikanischen Zölle oder Pandemien, die Versicherungswirtschaft?

Globale Entwicklungen wie Markt-Konzentrationen oder wirtschaftliche Schwankungen verändern unsere Branche massiv. Grosse Investmentgesellschaften kaufen Maklerhäuser auf, wodurch aus vielen Partnern wenige grosse Gruppen werden. Ähnliches sehen wir im Autohausbereich: Aus Tausenden Händlern werden wenige grosse Player. Das erhöht die Anforderungen an uns und erfordert, flexibel zu reagieren. Wir müssen genau prüfen, mit welchen Partnern wir ertragsorientiert zusammenarbeiten können. Gleichzeitig beeinflussen globale Krisen wie Pandemien oder Handelskonflikte den Absatz und damit unser Geschäft. Wir stellen uns diesen Herausforderungen, indem wir unsere Strukturen anpassen und den Bedarf unserer Partner genau kennen. Flexibilität und Nähe zum Markt sind dabei entscheidend.

Transformation braucht nicht nur Technologie, sondern auch Kultur. Wie fördern Sie bei der NÜRNBERGER eine moderne, agile Arbeitskultur?

Unsere Transformation zum Präventionsversicherer ist massgeblich Kulturarbeit. Wir setzen auf Mut, Klarheit, Vertrauen und Outcome-Orientierung. Jede und jeder übernimmt Verantwortung – für eigene Ergebnisse und für das gemeinsame Ziel. Wir haben flexible Arbeitsmodelle eingeführt: bis zu 60 % remote, keine starren Arbeitszeiten. Das stärkt Effizienz und Work-Life-Balance. Gleichzeitig wissen wir, dass Präsenz für kreative Prozesse wichtig bleibt. Technologie ist die Basis für diese Flexibilität, ohne digitale Infrastruktur wäre das nicht möglich. So verbinden wir moderne Arbeitskultur mit technologischem Fortschritt und schaffen ein Umfeld, das Leistung und Zusammenarbeit fördert. Zudem fordern wir unsere Führungskräfte und Mitarbeitenden aktiv auf, sich mit agilen Arbeitsweisen zu befassen und bieten hierzu auch zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten an.

Regulierungen gelten oft als Bremse für Innovation. Welche Chancen sehen Sie darin, dass Regulierungen wie DORA die Branche gleichzeitig zu Stabilität und technischer Exzellenz zwingen? Wie erleben Sie diese regulatorischen Eingriffe ausserhalb der NÜRNBERGER im globalen Markt?

Regulierungen wie DORA empfinden wir nicht als Bremse, sondern als Chance. Sie zwingen uns, Prozesse klar zu dokumentieren und dadurch weiterzuentwickeln. Das erhöht Transparenz und Stabilität. Natürlich bedeutet es zunächst zusätzlichen Aufwand und kostet Produktivität. Aber langfristig profitieren wir von klaren Strukturen, die Innovation erleichtern. Regulierung schafft Sicherheit für Kunden und Unternehmen – und das ist in einer komplexen Welt unverzichtbar. Wir sehen darin eine Grundlage, um technische Exzellenz und Vertrauen zu verbinden.

Wirft man den allgemeinen Blick in Richtung Technologie, sprich KI, Big Data oder Machine Learning: Wo sehen Sie einerseits Potenziale für die NÜRNBERGER, wo andererseits Risiken?

KI bietet enorme Chancen, vor allem für Produktivität und Effizienz. Repetitive Aufgaben und Recherchen können oftmals automatisiert werden, sodass Menschen sich stärker auf Innovationen und kreative Lösungen konzentrieren können. Das verändert Rollen und erfordert mehr Führungsdenken – unabhängig von Hierarchien. Risiken gibt es, aber diese sind meiner Meinung nach beherrschbar, wenn man Strategien entwickelt. Wir haben alle grossen Technologiesprünge der letzten Jahrzehnte gemeistert, und das wird uns auch hier gelingen. KI wird Prozesse beschleunigen, Schadenregulierung verbessern und Dokumentation vereinfachen. Der Mensch bleibt unverzichtbar, besonders in beratungsintensiven Prozessen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Versicherung der Zukunft aus – sagen wir im Zeitfenster 2035 bis 2045? Worauf stellen Sie sich heute schon ein?

Die Zukunft ist digitaler und effizienter, aber nicht rein automatisiert. KI wird Prozesse vereinfachen und die Arbeit der Vermittler erleichtern. Kunden werden besser informiert sein und schnelle Vergleiche ziehen können. Dennoch bleibt persönliche Beratung wichtig, gerade bei komplexen Themen. Technik wird uns helfen, Risiken schneller zu bewerten und Schäden einfacher zu regulieren. Aber Vertrauen und menschliche Nähe bleiben die Basis unseres Geschäfts. Die Kombination aus digitaler Effizienz und persönlicher Beratung wird die Zukunft prägen.

Welchen Rat würden Sie Studierenden allgemein geben, aber auch speziell denen, die in der Versicherungsbranche Fuss fassen wollen?

Mein Rat: Finden Sie heraus, was Sie wirklich wollen. Probieren Sie Dinge aus, bevor Sie sie bewerten. Haben Sie den Mut, Entscheidungen zu treffen – und zu ändern, wenn nötig. Die Versicherungsbranche bietet viele Möglichkeiten: Vertrieb, Marketing, Aktuariat, Kommunikation. Jeder muss seinen Weg finden, der zu den eigenen Stärken passt. Halbherzigkeit hilft niemandem. Wer sich für Vertrieb entscheidet, sollte Leidenschaft mitbringen – und echte Kundenerfahrung sammeln. Am Ende zählt, dass Sie etwas tun, das Sie erfüllt und glücklich macht.

Andreas Politycki ist seit 2015 Mitglied des Vorstands der NÜRNBERGER Versicherung und verantwortet die Bereiche Vertrieb und Marketing. Seine Karriere begann 1986 nach einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei der NÜRNBERGER Allgemeine Versicherungs-AG in Dortmund. Über die folgenden Jahrzehnte durchlief er nahezu alle zentralen Vertriebsfunktionen des Hauses: zunächst als Gewerbespezialist für Sach-, Haftpflicht- und Unfallversicherung, später als Geschäftsstellenleiter und Bezirksdirektor in Bochum und Dortmund. Ab 1999 führte er die Filialdirektion Düsseldorf und übernahm 2003 zusätzlich Verantwortung für Dortmund und Düsseldorf. Von 2007 bis 2014 leitete er die gesamte Filialdirektion Nordrhein-Westfalen Mitte mit Standorten in Düsseldorf, Dortmund, Münster und Köln.

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