- Vor einigen Jahren haben Sie Daimler verlassen und haben ihr eigenes Start-up gegründet. Können Sie über diese Entwicklungen und ihre Erfahrungen berichten?
Die Gründung von Veganz war ein längerer Prozess und keine Ad-hoc Entscheidung. 2009 war ich für Daimler in Russland und bin selbst in diesem Jahr vegan geworden. Während meiner Zeit in Russland habe ich angefangen mir Gedanken darüber zu machen, warum man vegane Produkte nicht lokal an einem Ort kaufen kann. Zu der Zeit war das nur über das Internet möglich. Von Russland aus habe ich dann bereits 2 bis 3 Mitarbeiter beschäftigt, die weltweit vegane Produkte identifizierten. Damals hatte ich allerdings noch keinen konkreten Plan, einen Supermarkt zu eröffnen. Relativ schnell haben wir Produkte gefunden und zusammengestellt, über 6000. Zufälligerweise wurde in Berlin gegenüber meiner Wohnung eine Ladefläche frei, welche ich direkt angemietet habe. Die Eröffnung eines Supermarktes war nicht im Detail geplant, sondern ist aus dem Verlauf der Umstände passiert. Ich hatte nicht die Absicht, die Lebensmittelindustrie anzugreifen, aber da ich selbst vegan bin wollte ich einen Ort schaffen an dem alle Gleichgesinnten gemütlich einkaufen können. Meine Karriere bei Daimler wollte ich eigentlich parallel dazu weiterlaufen lassen, allerdings hatten wir ab dem ersten Tag der Eröffnung des Supermarktes so viel Erfolg, das die Kombination beider Tätigkeiten nicht mehr möglich war. Folglich habe ich mich dazu entschieden, mich voll und ganz auf Veganz zu konzentrieren.
Danach habe ich weitere Läden eröffnet, jedoch festgestellt, dass dies auch aus einem wirtschaftlichen Standpunkt nicht optimal ist, da sehr viel Kapital benötigt wird. Somit haben wir in der zweiten Phase begonnen, uns aus Großhandel und die eigene Produktentwicklung zu konzentrieren. In dieser Phase befinden wir uns zum heutigen Tage.
- Wie sehen ihre internationalen Zukunftspläne aus?
Unser nächstes Ziel ist es, die sehr große Nachfrage in ganz Europa, die wir erleben, zu bedienen. Schon jetzt finden sich unsere Produkte durch unsere Kooperationen bei Albert Heijn in den Niederlanden, bei Coop in der Schweiz und bei Spar in Österreich. Durch die Ausweitung dieser Zusammenarbeit mit dem Lebensmitteleinzelhandel, auch über Deutschland hinaus, wollen wir unserem Ziel näherkommen, unsere Produkte europaweit verfügbar zu machen.
- Wie sehen ihre Expansionspläne in Europa aus?
Unsere Expansion geschieht nicht über Filialen, sondern über unsere Produktpalette im Lebensmittelhandel. Derzeit haben wir über 6000 Distributionspunkte in Europa, in Deutschland finden sie unsere Produkte bei Edeka, DM, Globus, Kaisers, Metro,Selgros und neuerdings auch Kaufland, Rossman und der Mueller Drogerie. In der Schweiz haben wir eine Kooperation mit COOP. In Österreich arbeiten wir mit Spar und DM. Demnächst geht es mir SPAR und DM nach Ost-Europa und Italien, in Spanien kooperieren wir mit Roski, in den Niederlanden arbeiten wir mit Albert Heijn. Unser Expansionsziel ist es, unsere Produkte in so vielen Geschäften wie möglich zu etablieren.
- Steigt die Anfrage nach veganen Produkten?
Ja, definitiv! Unsere Produkte werden nicht ausschließlich von Veganern gekauft, sondern auch von Vegetarianern oder Nicht-Vegetariern. Die Menschen sind neugierig, probieren neue Produkte aus und wenn es ihnen schmeckt, dann kaufen sie es erneut. Da ist auch ein moderner Sündererlass, der eine Rolle spielt: das Empfinden „Ich habe etwas Gutes für mich getan“, „Ich habe etwas Gutes getan für meine Umwelt“ – das beeinflusst die Wiederkaufrate. Wir überraschen die Leute mit unseren veganen Produkten, oft gibt es Produkte mit vielen Zusatzstoffen und genau das machen wir nicht, wir überraschen geschmacklich und optisch mit unseren Produkten.
- Es gibt noch sehr viele Vorurteile gegenüber Veganismus, wie gehen sie damit um?
Ja, es gibt noch sehr viele Vorurteile, aber auch durch unser Tun werden diese langsam abgebaut und es gibt immer mehr Informations- und Aufklärungsmaterialien über die Gesundheitsvorteile. Das Thema wird auch in der Presse positiv belichtet und wird stets offener empfangen.
- Wie hat der vegane Lebensstil ihr persönliches Leben verändert?
Mein Ziel ist es nicht um meine Kunden von dem Veganismus zu überzeugen, ich bin kein Missionar und möchte niemanden konvertieren aber persönlich lebe ich aus voller Überzeugung vegan und trage zum Beispiel auch keine Produkte, die aus Tieren hergestellt sind, weil ich weiß, wie Leder oder Wolle produziert werden. Ich kenne die Hintergründe und die Herstellung der Industrie und bin mir über die ethischen und moralischen Implikationen und den Einfluss auf unsere Umwelt bewusst. Ich habe Kinder dann schaut man natürlich darauf, wo die Reise hingeht mit unserer Welt. Dann stellt sich auch die Frage: „Können wir in 20 Jahre noch alle Menschen auf der Welt satt kriegen?“ Dabei spielt Veganismus auch eine Rolle. Bei Klimakonferenzen steht das Thema Fleischkonsum ganz oben an der Liste.
- Ein gesunder und veganer Lebensstil wird oft als teuer angesehen. Denken Sie, dass sich das in der Zukunft verändert und dass jeder Mensch sich einen solchen Lebensstil leisten kann?
Das ist ein großes Problem. Das Thema Ernährung hat immer etwas mit Bildung zu tun und das hat eine starke Korrelation zum Einkommen. Das macht es ein heikles Thema. Wenn ich mir unsere Zielgruppe anschaue, dann sind 70 % davon weiblich und 60% Akademiker: Mütter mit Kindern und Familie. Daher funktionieren wir so gut bei dm – die Kundschaft ist zu 80% weiblich, das hat schon einen Zusammenhang. Einkommen spielt leider eine große Rolle, zurzeit werden vegane Produkte leider noch in der Manufaktur hergestellt. Es gibt noch keine ausreichenden Mengen, da die Herstellung veganer Produkte noch nicht hoch industrialisiert ist. Deshalb schaffen wir es nicht, zu den Preisen anzubieten, welche die kommerzielle Lebensmittelbranche bietet. Wenn allerdings die Nachfrage steigt wird sich auch die Produktion weiterhin verbessern und dann werden auch die Preise senken können.
- Sie haben selbst einen Start-up gegründet. Haben Sie Tipps für angehende Gründer?
Das Netzwerk spielt eine sehr wichtige Rolle, es bietet Unterstützung und die Möglichkeit um neue Investoren zu sichern.
- Welche Lehren und wertvolle Erfahrungen konnten Sie aus Ihrer Zeit an der Universität St. Gallen mitnehmen?
Der Praxisbezug hat mir sehr gut gefallen. Außerdem hilft mir bis heute das Netzwerk, welches ich durch die internationale Vernetzung der Universität, durch Professoren und Studenten wie auch durch die Partnerschaften mit renommierten Unternehmen aufbauen konnte.