Was motiviert Sie morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen? 

Ich will jeden Tag dazulernen und das, was ich gemeinsam mit unserem Team mache, jeden Tag ein wenig besser machen. Das ist meine Basismotivation. Wir sehen uns bei SWISS KRONO alle als „Players and Learners“. Players und Learners haben Freude an neuen Herausforderungen, wollen diese gemeinsam überwinden, beklagen sich nicht, suchen nicht nach Schuldigen, sondern sind offen für neue Themen und Sichtweisen.  

Sie absolvierten ein Studium an der Universität St. Gallen. Wie hat es sich ergeben, dass Sie heute CEO eines führenden Holzwerkstoffherstellers sind? 

Ich denke, dass meine Offenheit gegenüber Neuem sowie meine Neugier meinen beruflichen Werdegang stark geprägt haben. Da meine Familie hauptsächlich in der Medizin tätig war, hatte ich vor meinem Studium nur wenige Berührungspunkte mit wirtschaftlichen Fragestellungen oder dem Unternehmertum. Auch kannte ich die Schweiz als Salzburger vor meinem Studienbeginn in St. Gallen kaum. Dies hatte den grossen Vorteil, dass ich meinen Weg unbefangen beschreiten konnte. Während meiner Studienzeit hörte ich immer wieder von den schillernden und allseits bekannten Unternehmensnamen. Daraufhin habe ich mir das Ziel gesetzt, während meines HSG-Zwischenjahres bei den entsprechenden Unternehmen Praktika zu absolvieren, was ich dann beispielsweise bei McKinsey, Procter & Gamble und Goldmann Sachs machen konnte. Das hat mir sehr viele Perspektiven und Einblicke ermöglicht, die ich auch heute – mehr als 25 Jahre später – nicht missen möchte. Danach habe einen Berufseinstieg in der Beratung bei der Boston Consulting Group gemacht, was ich jedem Berufseinsteiger nach wie vor sehr empfehlen kann.  Im Laufe meiner Zeit als Unternehmensberater habe ich dann allerdings festgestellt, dass ich gerne etwas machen würde, was mit konkreteren Produkten und konkreteren Menschen zu tun hat. Überdies wollte ich in einem etwas heterogeneren Umfeld mit Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsschichten und mit verschiedenen Hintergründen zusammenarbeiten. Der konkrete Eintritt in die Holzwerkstoffindustrie war dann eher ein Zufall. Über einen Kollegen von BCG erhielt ich das Angebot, gemeinsam mit ihm in die Firma seines Vaters einzutreten, bei der damals der Generationenwechsel stattfand. Ich nahm dieses Angebot an und so entwickelte sich der weitere Verlauf meiner beruflichen Karriere. Später habe ich mit einem anderen Partner einen Management Buyout eines Teils dieser Unternehmensgruppe gemacht, welchen wir entwickelt und anschliessend verkauft haben. Der Holzwerkstoffbranche bin ich seither treu geblieben. Jetzt bin ich seit sechs Jahren CEO der SWISS KRONO Group, einem weltweit tätigen führenden Player der Holzwerkstoffbranche. Wir beschäftigen 5‘100 Mitarbeiter und realisieren mit Möbelplatten, Fussböden und Holzbauprodukten einen Umsatz von über CHF 2.3 Mrd. 

 
Inwieweit unterscheidet sich ihre jetzige Tätigkeit in der Holzwerkstoffbranche zu Ihren vorherigen beruflichen Erfahrungen und wie erlebten Sie diese Umstellung? 

 
In der Unternehmensberatung hat man den Luxus, insbesondere als junger Berater, dass man sich zu fast 100% auf eine Problemstellung bzw. ein Projekt konzentrieren kann. In der Industrie ist das anders – neben vielen Projekten steht vor allem das Tagesgeschäft mit täglichen Umsätzen und monatlichen finanziellen Ergebnissen im Zentrum. Die meines Erachtens entscheidende Fähigkeit besteht im Finden der richtigen Balance zwischen optimaler Exekution (die kurzfristige Ergebnisse bringt) und paralleler Arbeit an Strategie und Strukturen (welche die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen). Der zweite Unterschied ist das im Vergleich zur Unternehmensberatung härtere Umfeld im Markt. Permanent müssen die eigenen Strukturen hinterfragt und optimiert werden und der Wettbewerbsdruck ist zwar gesund, aber hart. Schlechte Marktleistung oder eine ungenügende Kostenposition kann man nicht mit schönen Folien und markigen Worten wegargumentieren, sondern damit geht man unter. In Osteuropa, wo wir als Unternehmen sehr präsent sind, zeigt sich dies besonders. Dort muss man das Gespür haben, die richtigen Chancen zur richtigen Zeit mit dem nötigen Pragmatismus zu nutzen.  

Trotz der anhaltenden Corona-Pandemie konnten sie im Geschäftsjahr 2020/21 erstmals mehr als 6 Millionen Kubikmeter an Holzwerkstoffen produzieren und einen Rekordumsatz von 2,1 Milliarden Franken erwirtschaften, der in 2021/22 weiter gesteigert werden konnte. Wie begründen Sie diesen Erfolg?  

Grundsätzlich bemessen wir Erfolg nicht an Umsatz oder Ausstoss, sondern daran, was unter dem Strich als Gewinn verbleibt. Denn nur das ermöglicht uns dann Investitionen in die Zukunft. Glücklicherweise haben wir uns bei diesen Ergebniskennzahlen aber auch erfolgreich entwickelt. Unser Erfolg begründet sich als Unternehmen der Prozessindustrie auf einem sehr ausgeprägten Effizienzfokus und einem Auge für das Detail. Wir besitzen aufgrund der Struktur eines Familienunternehmens eine grundsätzlich langfristige Sichtweise. Die Werke, die wir bauen, benötigen hohe Investitionen. Eine neue Produktionslinie für Rohplatten kostet etwa eine Viertelmilliarde Euro. Das sind damit natürlich sehr langfristige Investitionen, die sehr sorgfältig geprüft, geplant und umgesetzt werden müssen. Neben unserem Kostenbewusstsein und langfristig angelegten Denken gehört aber auch der entsprechende Mut dazu, in wirtschaftlich schwierige Destinationen zu expandieren. Dies wiederholte sich immer wieder in unserer Unternehmensgeschichte und bildet die Grundlage unseres unternehmerischen Erfolgs. In den letzten Jahren erlebten wir ausserdem – in Verbindung mit den tiefen Zinsen – eine global sehr gute Baukonjunktur. Von dieser erhöhten Bauaktivität profitierten wir als Unternehmen und konnten diese Chance nutzen. In den letzten Monaten hat sich die Stimmung und auch die Auftragslage stark eingetrübt – wir werden sehen, wie sich 2023 entwickeln wird. 

Sie haben sich in der Vergangenheit mehrmals als Vertreter von mittelständischen Unternehmen politisch geäussert. Wie schätzen sie die momentane Situation der KMU bzw. des Mittelstandes ein? Was erwarten Sie für die Zukunft und was muss hierfür getan werden?  

Unser Wohlstand in der Schweiz ist nicht gottgegeben, sondern von früheren Generationen hart erarbeitet worden. Er ist auf verschiedene Stärken und Gegebenheiten zurückzuführen, die wir nicht aus den Augen verlieren sollten. Es erscheint mir grundsätzlich notwendig – und dies ist in den letzten Monaten noch wichtiger geworden – dass man sich auf diese Erfolgsfaktoren der Schweiz besinnt, und diese schützt und verteidigt. Dazu gehören ein funktionierendes Rechtssystem, unser liberales Wirtschaftsmodell und die hohe Bedeutung der Eigenverantwortung. Aus vielerlei Ecken ist dieses Wertesystem aber unter Beschuss. Von staatlicher Seite will man immer mehr regulieren, vorschreiben sowie Leistungen zur Verfügung stellen. Auch die Rechtssicherheit hat sich nicht unbedingt verbessert. So sind zum Beispiel die Oligarchen-Sanktionen in Zusammenhang mit dem furchtbaren Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine politisch nachvollziehbar und richtig, rechtsstaatlich aber ebenso problematisch. Das Anspruchsdenken – gegenüber dem Staat aber vor allem auch gegenüber den Arbeitgebern – nimmt leider immer mehr zu – gerade auch bei der jungen Generation. Der Arbeitsmarkt ist zurzeit leergefegt, man findet kaum qualifiziertes Personal und entsprechend zeigen sich Unternehmen flexibel, um alle möglichen Wünsche der Arbeitnehmer zu erfüllen. Diese Situation kann aber rasch drehen und wer sich dann zu sehr an die heute praktizierte Flexibilität der Arbeitgeber hinsichtlich Home-Office, Work-Life-Balance und Teilzeitarbeit gewöhnt und das alles für wohlerworbene, immerwährende Rechte gehalten hat, wird dann möglicherweise ein unschönes Erwachen erleben.  Ich setze mich daher für einen liberalen Wirtschaftsstandort mit möglichst wenig Staatsintervention und -aktivität ein – das ist zurzeit zwar nicht überall populär, aber meines Erachtens daher umso dringender. Genauso wichtig ist es, der Bevölkerung auch unangenehme Wahrheiten zuzumuten, statt mit Slogans à la „Wir schaffen das“ reale Probleme zuzudecken. Die Politik ist leider nur sehr eingeschränkt in der Lage, Fehlentscheide der Vergangenheit zügig und konsequent zu korrigieren. So müsste man meines Erachtens beispielsweise sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz endlich Klartext sprechen und festhalten, dass die Energiewende, so gut sie auch gemeint und so engagiert auch deren Umsetzung verfolgt worden war, gescheitert ist und grundsätzlich neu ausgerichtet werden muss. 

Swiss Krono betreibt mit etwa 480 Mitarbeitenden einen grossen Fertigungsstandort in der Schweiz. Wie beurteilen Sie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und des gesamten Landes? 

 
Ich mache mir um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz grundsätzlich wenig Sorgen, sofern man die bereits erwähnten Aspekte schützt. In unserer Branche, der Bauzuliefererbranche, ist eine lokale Produktion wichtig. Insbesondere durch die steigenden Transportkosten und verursachten Emissionen muss man nah am Kunden bzw. seiner Baustellen sein. Unser Schweizer Werk kann und muss aber auch nicht mit den Werken in Osteuropa herstellkostenmässig konkurrieren, wenn es gelingt, durch hohe Produkt- und Dienstleistungsqualität sowie durch hohe Flexibilität besonderen Kundennutzen zu generieren. Dies gelingt uns soweit offensichtlich ganz gut. Für jedes Land muss man sich hinsichtlich seines Organisations- und Technologiegrads an den jeweiligen Gegebenheiten des Landes orientieren. Der Automatisierungsgrad ist hierbei zum Beispiel relevant: Unser Werk in Menznau im Kanton Luzern besitzt einen sehr hohen Automatisierungsgrad. In Osteuropa automatisiert man (noch) weniger, da dort die Arbeitskräfte günstiger sind.  Für den Schweizer Wirtschaftsstandort ist neben den erwähnten Rahmenbedingungen meines Erachtens vor allem eine gut gemischte Wirtschaft wichtig. Neben den Stars (Pharmaindustrie, Finanzwesen, Dienstleistungen) braucht es neben Nestlé, Roche und Novartis zum Beispiel auch Prozessindustrie (Papierindustrie, Holzwerkstoffe, Chemie), damit man im Inland keine ökonomischen Monokulturen bewirtschaftet. Diversität schafft hier Resilienz und grössere Unabhängigkeit von einzelnen Branchentrends. Für die Industrie wiederum sind vor allem eine gute Energieversorgung und Rahmenbedingungen im Sinne eines Level Playing Fields wichtige Voraussetzungen. Ein „Swiss Finish“ (höhere Regulierung, tiefere Grenzwerte oder höhere Abgaben), unter der falschen Einschätzung, man könne das tun, denn die Schweiz könne sich das leisten und muss vorangehen, lehne ich ab. Ein solches Swiss Finish führt zu höheren Kosten für Produkte aus der Schweiz im Vergleich zu denen unserer Wettbewerber. Und das kann sich mittelfristig keine Branche leisten. 

 
 
Ihr Unternehmen besitzt eine negative CO²-Bilanz und gilt somit als industrielles Vorzeigebeispiel. In welcher Hinsicht kann der Rohstoff Holz Ihrer Meinung nach, ein effektives Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels sein?  

Fast ein Drittel der CO²-Emissionen in Europa entstehen durch den Bausektor und den Gebäudepark. Dies inkludiert den Bau und Betrieb von Gebäuden. Entsprechend gibt es dort massives Potenzial. Das zweite Drittel in Europa bildet der Verkehr und das verbleibende Drittel die Industrie. Gerade die Industrie hat bereits viel in positiver Weise verändert. Bei Gebäuden besteht nach wie vor Handlungsbedarf.  
Hierbei gibt es verschiedene Ansatzpunkte. In den letzten Jahren wurde vermehrt versucht, den Energieverbrauch für Heizzwecke zu minimieren, indem auf qualitativ bessere Dämmungen geachtet wurde. Überdies wird versucht, Baustoffe einzusetzen, die einen geringeren Anteil grauer Energie besitzen. Entsprechende Rohstoffe sind energieeffizienter in der Herstellung und verursachen somit weniger Emissionen. Holz ist in diesem Sinne ideal, da es im Prozess des Wachstums durch die Photosynthese CO² bindet. Nachdem es dann geerntet und verbaut wird, kann das CO² gebunden werden, sofern auch die Forstwirtschaft nachhaltig wirtschaftet. Dieser Senkungseffekt bleibt dann solange bestehen, bis das Holz letztendlich am Ende des Lebenszyklus verbrannt wird. 
Dieser Prozess führt zu einer erheblichen Reduktion von Klimagasen in der Atmosphäre. Beispielsweise haben wir als SWISS KRONO Group mit allen unseren Werken weltweit jedes Jahr ein Emissionsvolumen von ca. 3,1 Millionen Tonnen CO²-Äquivalenten in Scope 1, 2 und 3. Die gesamte Schweiz verursacht etwa CO²-Emissionen von etwa 47 Millionen Tonnen. Dem gegenüber binden unsere Produkte jährlich ca. 6 Millionen Tonnen CO²-Äquivalente pro Jahr, die solange aufrecht bleiben, solange die Produkte im Einsatz sind. Somit besitzt Holz einen enormen Kompensationseffekt – würde man in Europa alle Gebäude, die man technisch mit Holz bauen kann, mit Holz errichten, so könnten die CO2-Emissionen in Europa wesentlich reduziert werden. Zudem muss weniger Energie aufgewendet werden, um aus einem Baum einen Werkstoff zu machen, als es bei Stahl oder Zement der Fall ist. Da die benötigte Energie mit tieferen Energiebändern erzeugt wird, können im Gegensatz zu Zement auch Biomasse oder Produktionsabfälle eingesetzt werden. Insgesamt sind wir sicherlich auf dem richtigen Weg und verfügen über den Werkstoff der Zukunft. Nicht nur klimatechnisch ist der Rohstoff hoch attraktiv, sondern entwickelt sich auch in statischen Gesichtspunkten weiter. In den letzten 20 Jahren wurden Holzwerkstoffe deutlich leistungsfähiger: Holz kann nun für zahlreiche neue Anwendungsbereiche wie dem Bau von Hochhäusern genutzt werden. 

 
Die Verantwortung für über 5000 Mitarbeitende zu haben, ist gerade in schwierigen und unsicheren Zeiten nicht einfach. Können Sie aus Ihren Erfahrungen einen Rat, insbesondere für junge Menschen formulieren, den Sie gerne zu früherem Zeitpunkt bekommen hätten? 

Meine wesentliche Erkenntnis aus der jüngst doch sehr turbulenten Zeit ist, dass man erst in einer Krise wirklich sieht, wie gut ein Team funktioniert und wie gut die einzelnen Elemente interagieren. Wenn man erst in der Krise damit beginnt, schlagkräftige Teams zu formen und eine starke Unternehmenskultur zu etablieren, ist es zu spät. Mein Rat an jeden sowohl im Beruflichen als auch im Privaten ist daher: Do your housekeeping when the sun is shining! Wenn irgendwelche Themen auftauchen, sollte man diese sofort thematisieren und angehen. Wenn was nicht passt, dann passt es nicht und man sollte es ändern. 

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Seit 2016 ist Martin Brettenthaler Chief Execution Officer der SWISS KRONO Group, einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich Laminatfussböden und Holzwerkstoffe mit Hauptsitz in der Schweiz und zehn weiteren Werken in acht Ländern. Während seines Studiums an der Universität St. Gallen absolvierte Brettenthaler Praktika bei Goldmann Sachs, Proctor & Gamble sowie McKinsey. Nach seinem Studienabschluss entschied er sich für einen Einstieg bei der Boston Consulting Group als Unternehmensberater. Anschliessend erlangte Brettenthaler erste Berührungspunkte mit der Holzwerkstoffindustrie durch die Tätigkeit als Chief Operating Officer in dem Familienunternehmen eines BCG-Kollegen. Seitdem ist er in dieser Branche tätig und befindet sich nun seit mehr als sechs Jahren als Geschäftsführer bei SWISS KRONO.